Wahlen in El Salvador und Nicaragua

1984 herrschte sowohl in Nicaragua als auch in El Salvador Bürgerkrieg. Im Amerikadienst Artikel vom 14. März 1984 werden aus amerikanischer Sicht die unterschiedlichen Haltungen zur Wahl beschrieben, die am 25. März 1984 stattfanden.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

Illustrationen

San Salvador – Wer heute von der nicaraguanischen Hauptstadt Managua nach San Salvador kommt, ist erstaunt über den Unterschied, mit dem die Wahlen in beiden Ländern vorbereitet werden. Während die Sandinisten sich offensichtlich bemühen, möglichst wenig aus den Wahlen in Nicaragua zu machen, wird in El Salvador alles daran gesetzt, um eine Beteiligung möglichst aller Bürger herbeizuführen. Armando Rodriguez Eguizabal, der Präsident des fünfköpfigen Zentralen Wahlrates, betont, daß die Parteiinteressen hintangestellt werden, denn die Wahlen „sind eine Frage von nationalem Interesse“.
Die Wahlen in Nicaragua am 25. März 1984 werden nicht nur nach amerikanischer Ansicht der dortigen Regierung eine stärkere demokratische Grundlage geben und der Kritik im amerikanischen Kongreß und in Teilen der amerikanischen Öffentlichkeit die Grundlage entziehen. Im amerikanischen Außenministerium wird darauf hingewiesen, daß der neue Präsident der erste freigewählte Präsident in 50 Jahren sein werde. Damit könne auch ein Reformprogramm durchgeführt und eine Versöhnung mit der Guerilla angestrebt werden.
Der Zentrale Wahlrat, der aus Vertretern der fünf in der Nationalversammlung vertretenen Parteien besteht, arbeitet mit rund 800 Angestellten und über 150 Computerterminals fieberhaft an der Erstellung einer kompletten Wählerliste. Das Gerät wurde mit Hilfe eines nichtrückzahlbaren Kredites des amerikanischen Amtes für Internationale Entwicklung (AID) in den Vereinigten Staaten gekauft. Bisher wurden rund 14 Millionen Dokumente – Geburts- und Sterbeurkunden – auf Mikrofilm aufgenommen. Damit läßt sich die Gültigkeit der für den Wahlgang erforderlichen Personalausweise – Cedulas – sofort kontrollieren.
Der von der Nationalversammlung eingesetzte Zentrale Wahlrat – unter der Leitung von Rodriguez, der der Nationalen Koalitionspartei angehört – ist völlig unabhängig, und seine Arbeit steht jedermann zur Einsicht frei. Täglich kommen Hunderte von Personen, um die Gültigkeit ihres Personalausweises [zu] überprüfen und sich, wenn notwendig, einen neuen ausstellen zu lassen.
Im Gegensatz zu Nicaragua, wo ein Staatsrat, der von einer überwältigenden Mehrheit der Sandinisten beherrscht wird, offensichtlich alles daransetzt, die Guerilla von den Wahlen am 4. November auszuschließen, wird in El Salvador alles versucht, alle Bürger an die Wahlurne zu bringen. „Ich bin erste kürzlich mit einem Vertreter der Guerilla in Kolumbien zusammengetroffen“, berichtet Rodriguez, „und habe sie zur Teilnahme aufgefordert“. Die Antwort? „Die beste Antwort, die ich bekam, war die, daß sie sich nicht in die Wahlen einmischen werden. Ich hoffe, sie halten ihr Wort.“
Die Regierung in El Salvador hat immer wieder versucht, die Guerilla zu einer Aufgabe des Kampfes und einer Integration in den demokratischen Prozeß zu bewegen. Der provisorische Präsident Alvaro Magana hat diese Absicht erst in einem Interview am 22. Februar wieder bekräftigt.
Noch immer versucht der Zentrale Wahlrat die Tür für die Guerilla offen zu halten, obwohl der Wahltermin rasch näher rückt. „Ich würde sogar eine Gesetzesänderung vorschlagen. Ich würde versuchen einen Weg zu finden“, so betont Rodriguez. Nach seiner Ankunft hat der Rat zu den Wahlen Beobachter aus 55 Ländern, der Organisation der Amerikanischen Staaten, der Vereinten Nationen, von Amnesty International und anderen internationalen Organisationen eingeladen.
„Wichtig ist“, so erklärte Rodriguez, „daß nach einer Umfrage in jüngster Zeit 95 Prozent der Wahlberechtigten den Wunsch geäußert haben, am 25. März zu wählen. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.“ Es wird etwa 7000 Wahllokale im ganzen Land geben – doppelt so viel wie 1982. Damit dürfte die Wahl rascher über die Bühne gehen, und es wird keine langen Schlangen vor den Wahllokalen mehr geben. Die Auszählung erfolgt durch drei Wahlleiter in Gegenwart der Vertreter der politischen Parteien, und es werden mehrere Kopien des Wahlergebnisses gemacht. Das Original wird an den Zentralen Wahlrat in San Salvador, Durchschläge an die Kreisverwaltungen und die Parteien gesandt.
Es könnte auch Versuche der Guerilla geben, die Wahlen zu stören, obwohl sie das Gegenteil zugesagt hat. Präsident Magana erklärte jedoch, daß die Regierung in der Lage sei, die Sicherheit der Wähler zu garantieren. In diesem Zusammenhang hat die Reagan-Administration in Washington betont, daß El Salvador zusätzliche Militärhilfe brauche, um die Armee in die Lage zu versetzen, einen echten Schutzschild für die Wähler zu gewähren.
Während in El Salvador trotz eines Belagerungszustandes wegen der Guerilla zahlreiche Parteiversammlungen und Kundgebungen stattfanden, war in Nicaragua trotz der Versprechungen der Sandinisten davon nichts zu spüren. Obwohl die Wahlen nur noch acht Monate entfernt sind, haben die Sandinisten nicht einmal ein Wahlgesetz ausgearbeitet. Offensichtlich soll die Zeit eines möglichen Wahlkampfes möglichst kurz bemessen werden, um der Opposition keine Chance zu geben, sich zu profilieren.
Oppositionspolitiker und westliche Diplomaten in Managua glauben, daß die Sandinisten eine Wahl mit sicherem Ausgang – ihrer Bestätigung – zu inszenieren versuchen, während man in El Salvador dem Willen der Wähler freien Lauf geben will.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 14.03.1984 unter dem Titel "El Salvador und Nicaragua: Unterschiedliche Einstellungen zur Wahl". Für weitere Artikel dieser Ausgabe, wie: „Leistungsfähigere Mikrochips“, oder „Das transatlantische Verhältnis“, klicken Sie bitte hier.

Wahlen in El Salvador und Nicaragua