Van Vactor, Fulbright und die Jugend

Der Dirigent Van Vactor führt im Rahmen des Fulbright Programms in Frankfurt ein einzigartiges musikpädagogisches Experiment mit 500 Jugendlichen durch.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Frankfurt – Der bekannte amerikanische Dirigent und Komponist Professor David Van Vactor, Leiter des Symphonie-Orchesters Knoxville (Tennessee), befindet sich zur Zeit in Frankfurt, wo er im Rahmen des „Fulbright-Programms“ ein bis jetzt in Deutschland einzigartiges musikpädagogisches Experiment durchführt.
Mit Unterstützung der städtischen Behörden veranstaltete er mit dem Frankfurter Jugend-Symphonie-Orchester vier Konzerte, deren sorgfältig zusammengestellte Programme eine Übersicht über bedeutende Werke der Konzert- und Opernliteratur geben sollten. Zu diesen Konzerten waren 500 Schüler und Schülerinnen aus Volks-, Mittel- und Höheren Schulen im Alter von 14 bis 16 Jahren eingeladen worden. Vierhundert dieser Jungen und Mädel absolvierten vor Beginn der Veranstaltungsreihe eine musikgeschichtliche Einführung.
Der Musikunterricht in den einzelnen Schulen war in dieser Zeit speziell auf diese Konzerte ausgerichtet. Vor dem ersten Konzert wurde von jedem der 400 „Auserwählten“ ein Bogen mit 45 Fragen ausgefüllt, wodurch die allgemeinen Musikkenntnisse der Schüler geprüft werden sollten. Die anderen 100 Jungen und Mädel erlebten die Veranstaltungen vollkommen „unvorbereitet“.
Das Programm des ersten Konzertes, das die Einführung symphonischer Instrumente zum Ziele hatte, brachte Symphonie-Sätze von Mozart, Brahms, Beethoven und Haydn.
Im zweiten Konzert wurde den jungen Zuhörern die Verschiedenartigkeit der Musikliteratur sowie die Funktion des Dirigenten in Werken von Beethoven, Hindemith, Grieg, De Lamarter und Van Vactor nahegebracht.
Die dritte Veranstaltung sollte durch die Gegenüberstellung grundverschiedener Werke wie solcher von Bizet, Beethoven, Liadov, Anderson und Sibelius zeigen, wie durch die Überladung eines Programms mit „Bravourstückchen“ der gute Stil eines Konzerts verloren geht.
Das letzte Konzert, in dem die Sopranistin Elfriede Bernet vom Stadttheater Würzburg und der Bariton Günther Ambrosius vom Landestheater Darmstadt mitwirkten, führte die Zuhörerschar mit Beispielen aus dem Opernschaffen von Willibald Gluck, Carl Maria von Weber, Richard Wagner, Wolfgang Amadeus Mozart und Charles Gounod in die Welt der Oper ein. 
Vor jedem einzelnen Konzert gab Professor Van Vactor kurze einführende Erläuterungen, die durch ihre lebendige, klare Darstellung erkennen ließen, daß Van Vactor mit Recht zu den bedeutenden Musikpädagogen der USA zählt. Dies zeigte auch das freudige Mitgehen der jungen Orchestermusiker, die den zum Teil recht anspruchsvollen Partituren vollauf gerecht wurden.
Allen 500 Konzertbesuchern wurden nach Beendigung der Konzertreihe noch einmal dieselben Fragen vorgelegt wie zu Beginn des Experiments. Man hofft auf diese Weise ermitteln zu können, ob und in welchem Grade derartige Konzerte das allgemeine Interesse für gute Musik beim jungen Menschen fördern helfen. Diese Frage läßt sich jedoch erst nach Auswertung der Testbogen schlüssig beantworten.
Dasselbe Experiment hat Professor Van Vactor bereits zu Anfang des Jahres mit 500 amerikanischen Schülern und Schülerinnen in Knoxville (Tennessee) mit einem positiven Ergebnis, das alle Erwartungen übertraf, durchgeführt.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Allgemeines“ vom 04.07.1958 unter dem Titel "Musikerziehung einmal anders – Van Vactor dirigiert vor deutschen Schülern". Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie: „Der amerikanische Luftrettungsdienst“ oder „Herzdiagnose mit Ultraschall und Radiojod“ , klicken Sie bitte hier.

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