Urlaubsziel: Weltnaturerbe

Der Great-Smoky-Mountains-Nationalpark gehört seit 1983 zum UNESCO Weltnaturerbe. 1955 sind es rund zwei Millionen Besucher im Jahr, heute zwischen acht und zehn Millionen. Lesen Sie in diesem Artikel über den Beginn der touristischen Erschließung des Parks und wie die Verantwortlichen des Nationalparks versuchen einen Weg zwischen Massentourismus und Erholungsgebiet zu finden.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Gatlinburg (Tennessee) – Eine der landschaftlich schönsten und darum auch meistbesuchten Erholungsstätten in den ganzen Vereinigten Staaten ist wohl der Nationalpark im Great Smoky-Gebirge. Eine Bezeichnung, die in dieser Formulierung übrigens gar nicht einmal ganz richtig ist, da dieser Nationalpark ja das gesamte Bergland umfaßt, das, auf der Scheide zwischen Tennessee und Nord-Karolina gelegen, hohe, in den Wolken verschwimmende Berge mit dem ganzen Zauber eines waldbestandenen Mittelgebirges zu einer lieblichen Einheit zusammenschließt.
Von den mehr als 200 000 Hektar dieses Naturschutzgebietes sind weit über 80 000 Hektar Wald, natürlicher Wald, nicht den Gesetzen einer Nutzwirtschaft unterworfen. Das einzige, was bisher in diesem Gebiete galt, waren die Normen des Lebens selbst, nur insofern ein wenig korrigiert, als man den ursprünglichen Charakter dieser Landschaft nicht nur um ihrer selbst, sondern auch um der Menschen willen zu erhalten suchte. Überall, wo man sie künstlich dem Menschen erschloß, bemühte man sich, ihr nichts von dem ihr eigentümlichen Zauber des Unberührten zu nehmen. Das Gesicht dieser Bergwildnis soll möglichst genauso bleiben, wie es ist. Obgleich die Erschließungsarbeiten, mit denen die dem amerikanischen Innenministerium unterstehende Bundesverwaltung der Nationalparks gerade begonnen hat, praktisch den ganzen Bezirk einbeziehen und notwendigerweise auch einige einschneidende Änderungen zur Folge haben werden; Veränderungen allerdings, die jedenfalls weniger die Landschaft selbst als ihr eigentliches, nur schwer zu definierendes Wesen betreffen.

Was wirklich dort geschieht, ist in Ansehung dieses großartigen Berglandes nämlich gar nicht einmal viel. Im Bereich des Nationalparks selbst beziehungsweise an seinen Grenzen werden insgesamt zehn Millionen Dollar für neue Verkehrswege, Campingplätze, Gasthäuser samt Wasserleitungen und Abwässerkanälen aufgewandt, dagegen über 50 Millionen Dollar für den Ausbau des Netzes von Zubringerstraßen. Denn bis jetzt war es verhältnismäßig schwierig, überhaupt in das Great Smoky-Gebirge zu gelangen. Trotzdem ist es im Jahre 1955 von über zweieinhalb Millionen Menschen besucht worden; von einer Menge also, die gewiß nicht gerade klein ist, aber nach Ansicht der Verwaltungsbehörde noch lange nicht groß genug, um den tatsächlichen Wert dieser Berge als Quell der Erholung und Freude auch nur annähernd auszuschöpfen. Man tut daher im gesteckten Rahmen soviel wie möglich, um das Land für den Menschen immer anziehender werden zu lassen, und hofft, die Besucherzahl in Kürze auf jährlich mindestens vier Millionen zu bringen. Darum also wird so eifrig geplant, gebaut, gebuddelt und werden viele Tausend Tonnen Erde bewegt; denn man will den Besuchern dieses Parkes ja nicht bloß Anfahrt und Aufenthalt erleichtern, sondern die zum Teil einzigartigen Schönheiten des Landes auch gleich „ans Auto bringen“. 
Deshalb werden an allen Gebirgsstraßen, besonders an den Kehren, Halteplätze angelegt, Raststätten gebaut und an gewissen zentralen Stellen am Rande des Naturschutzgebietes außer großen Hotels auch Heimatmuseen errichtet, die dem Touristen Einblick in die Geschichte dieser Landschaft, der grandiosen Kulisse des Kampfes zwischen Weißen und Roten, vermitteln sollen. Andererseits ist die Verwaltung des Nationalparks natürlich bemüht, des Landes Reize vor den Ausflüglern zu schützen und nicht zum Opfer einer allzu stürmischen oder auch nur unbedachten Liebe werden zu lassen. Aus demselben Grunde hatte man schon vor 25 Jahren mit der Erklärung dieses Gebietes zum Nationalpark die Bestimmung getroffen, daß keine Hotels, Rasthäuser, Campingplätze und Tankstellen innerhalb des Parks selbst von privater Seite errichtet werden dürfen; eine Regelung, die sich offensichtlich ja auch durchaus bewährt hat, da der Wildnischarakter der Landschaft weitestgehend erhalten geblieben ist.
Hierzu aber wird es weitaus größerer Anstrengungen bedürfen, wenn die Anfahrt zu den Great-Smokies durch den Ausbau der Zubringerstraßen erst einmal erleichtert worden ist. Denn rund 50 Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten, also über 80 Millionen Menschen, wohnen im Umkreis von 800 Kilometern um dieses Gebiet – eine Entfernung, die in einem „hochmotorisierten“ Lande mit guten Fernstraßen ohne große Schwierigkeiten zu überwinden ist. Man muß daher erwarten, daß der Park künftig von unvergleichlich mehr Menschen als bisher besucht wird; von Menschen, die die Schönheit und Einsamkeit dieser Wälder und Berge suchen – und von den allzu vielen anderen, die nur um der sogenannten Sehenswürdigkeiten willen kommen, was nicht ganz ohne Gefahr für den Charakter dieser urtümlich versponnenen Landschaft ist. Man wird also versuchen müssen, ihn zu schützen, indem man zum mindesten die Zahl des Aufsichtspersonals samt der Forst- und Wildhüter im gleichen Verhältnis verstärkt, indem man das Gebirge durch den Neubau von Straßen weiter erschließt und durch alle möglichen Anlagen auch unter dem Gesichtspunkt der Fremdenindustrie für die große Masse der Touristen immer anziehender macht.

Es ist allerdings schwer, sich überhaupt etwas Reizvolleres vorzustellen als dieses Hochland, wie es heute ist. Es gehört zu den ältesten Gebirgen der Erde und bildet eine kaum unterbrochene Kette urwaldbestandener Berge, die in dieser Form zum mindesten im östlichen Nordamerika etwas Einmaliges darstellt. In den Wäldern gibt es über 130 einheimische Baumarten, und viele Exemplare davon in einem Riesenwuchs, der ganz ungewöhnlich ist. Vom gewaltigsten Berge des Parkes, dem 2025 Meter hohen Clingman's Dome, der noch durch einen Turm gekrönt werden soll, kann man die ganze Kette der 16 an die 2000 Meter hohen Gipfel überschauen – Berge, Wälder und fast in allen der lieblichen Täler Bäche und kleine Flüsse, die zu einem großen Teil mit Forellen besetzt sind und schon deshalb von besonderem Reiz für alle passionierten Angler. Die Great Smoky Mountains sind in ihrer Art wirklich ein Paradies, auch wenn – oder gerade wenn sich aus den Tälern der dichte Nebel zu heben beginnt und sich wie ein Schleier aus Dunst und Rauch (Smoke) um die hohen Gipfel sammelt.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst Allgemeines vom 16.01.1957 unter dem Titel "Ferienland im Herzen der USA – die Smocky Mountains, ein Nationalpark für Millionen erholungssuchender Amerikaner". Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie: „Arbeitslöhne und Arbeitsbedingungen in Ungarn“, oder „Wegbereiter einer wissenschaftlichen Methodik“, klicken Sie bitte hier.

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