Über das "Federal Bureau of Investigation"

1960 existierte das Federal Bureau of Investigation gerade 42 Jahre lang. Doch wie arbeitet das FBI? Wie ist es entstanden? Lesen Sie in der ersten Folge der Artikelserie "FBI – die Bundeskriminalpolizei der USA" mehr über den amerikanischen Bundesfahndungsdienst, ihr Aufgaben und über den Fall John Dillinger.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

Illustrationen

In dieser und den folgenden fünf Ausgaben veröffentlichen wir eine Artikelserie über den amerikanischen Bundesfahndungsdienst (FBI). Diese überprüfte Darstellung gibt ein realistisches Bild von der Entstehung, den Aufgaben und Arbeitsmethoden der Bundeskriminalpolizei, von ihrem Platz im föderalistischen System und im öffentlichen Leben der Vereinigten Staaten von Amerika.

Seit vielen Generationen gelten Scotland Yard und Pariser Sûreté Nationale – in Hunderten und aber Hunderten von Detektivromanen, Filmdrehbüchern und Tatsachenberichten auch mit literarischem Ruhm bekränzt – als Inbegriff systematisch-erfolgreicher Verbrecherbekämpfung. Am 26. Juni 1908 gesellte sich zu ihnen jedoch eine dritte, heute ebenso berühmte Kriminalpolizeibehörde: das Bundesfahndungsamt der Vereinigten Staaten von Amerika. Seine offizielle Bezeichnung lautet „Federal Bureau of Investigation“. Am bekanntesten ist es freilich im In- und Ausland unter seinen Initialen FBI.
Durch Presse, Funk und Fernsehen wird die amerikanische Öffentlichkeit über Aufgaben und Arbeitsweise der Bundeskriminalpolizei recht ausführlich unterrichtet, während darüber im Ausland vielfach irrige Vorstellungen herrschen. Ihre Zuständigkeit reicht vom Hoch- und Landesverrat bis hinunter zu bestimmten Bagatellvergehen. Sie verfolgt Bandenmord, Menschenraub, schwere Erpressung und Sonderfälle von Körperverletzung, aber auch Automarder, die von einem Bundesstaat in den anderen überwechseln. Um die besondere Stellung des FBI im System der amerikanischen Polizeiorgane zu verstehen, muß man etwas über die Geschichte der USA und die traditionelle Aufgabenverteilung zwischen Bund und Einzelstaaten wissen.
Die USA vergrößerten ihren Bestand von ursprünglich 13 auf jetzt 50 Staaten hauptsächlich durch die Aufnahme neuer Unionsmitglieder. Jeder dieser Staaten besitzt seinen eigenen Polizeiapparat und dazu jede größere Stadt ihren kommunalen Polizeidienst. Obwohl die Polizeibeamten jedes Einzelstaates anders uniformiert sind, ist die Zusammenarbeit und Amtshilfe zwischen den verschiedenen Polizeibehörden über alle regionalen Grenzen hinweg jederzeit gewährleistet.

Hauptaufgabe: Schutz der Bundesgesetze

Neben dem amerikanischen Bundeskongreß gibt es bekanntlich 50 einzelstaatliche Parlamente, die einen großen Teil der gesetzgeberischen Arbeit leisten. Das Bundesjustizministerium ist grundsätzlich nur zum Hüter der Bundesgesetze bestellt, die vom Bundeskongreß für alle Staatsbürger erlassen wurden, und dasselbe gilt für den FBI, den Fahndungsdienst des Bundesjustizministeriums. So fällt beispielsweise ein Mord nicht automatisch in den Kompetenzbereich des FBI, obwohl es sich dabei um ein Kapitalverbrechen handelt, sondern in den der einzelstaatlichen und kommunalen Polizeibehörden. Denn es gibt kein Bundesgesetz gegen Mord, wohl aber diesbezügliche Gesetze in allen 50 Einzelstaaten.
So konnte sich der FBI seinerzeit in die Fahndung nach dem berüchtigten Gangster John Dillinger erst einschalten, als dieser mit einem gestohlenen Auto eine Staatsgrenze überquerte und damit gegen das Bundesgesetz über Kraftfahrzeugdiebstahl verstieß. Dillinger machte vom September 1933 bis zum Juli 1934 mit seinen Komplizen den Mittelwesten der USA unsicher. Die Bande hatte zehn Morde und vier Bankeinbrüche auf dem Gewissen; außerdem verwundete sie sieben Personen, raubte drei Polizeiarsenale aus und holte aus drei Gefängnissen etliche Schwerverbrecher heraus. Schließlich gelang es drei FBI-Beamten, John Dillinger beim Verlassen eines Theaters in Chicago zu stellen und mit wohlgezielten Schüssen zur Strecke zu bringen.
Auch heute noch greift der Bundesfahndungsdienst selbst bei schweren Verbrechen, die als „lokale Delikte“ gelten, nur ein, wenn sich der mutmaßliche Täter durch die Flucht in einen anderen Bundesstaat der Strafverfolgung entziehen will oder wenn ein unter solchen Umständen gefaßter Schwerverbrecher später nach seiner Aburteilung einen Ausbruchsversuch unternimmt. Nachteile, die sich daraus für die zentrale Verbrechensbekämpfung ergeben mögen, nimmt man in Kauf, weil das amerikanische Volk durch seine gewählten Vertreter im Kongreß immer wieder zum Ausdruck gebracht hat, daß es auf diesem wie auf anderen Gebieten – z.B. in der Besteuerung, im Erziehungs- und im Verkehrswesen – dem föderalistischen Prinzip entschieden den Vorzug gibt. Seit der Gründung der USA sind ihre Bürger sorgsam darauf bedacht, jedem Mißbrauch der Zentralgewalt vorzubeugen, nicht zuletzt, weil viele der Gründerväter aus Ländern stammten, in denen sie mit der Zentralgewalt schlechte Erfahrungen gemacht hatten.

Waffengebrauch nur in Notwehr

Die rund 6000 Kriminalbeamten des FBI dürfen sich bei ihrer Ermittlungsarbeit unter keinen Umständen über die verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger hinwegsetzen. Was den Waffengebrauch betrifft, so sind sie gehalten, niemals auf einen flüchtenden Verbrecher oder Verdächtigen zu schießen. Obwohl es anerkanntermaßen in ganz Amerika keine besseren Revolver- und Maschinenpistolenschützen gibt, dürfen sie ihre Waffen nur in Notwehr gebrauchen. Verhaftete Personen werden regelmäßig darüber belehrt, daß sie Anrecht auf einen Rechtsbeistand ihrer eigenen Wahl haben, und jeder Versuch einen Verdächtigen durch Zwang oder Gewalt zu einem schriftlichen Geständnis zu bewegen, ist streng untersagt.
Die Erfolge, die der FBI aufzuweisen hat, beruhen nicht auf irgendwelchen gewaltsamen Methoden, sondern auf der Zusammentragung so eindeutiger und überzeugender Beweise, daß sich der Delinquent vor Gericht buchstäblich selbst überführt. Auf diese Weise sorgte der FBI dafür, daß viele der gefährlichsten Verbrecher Amerikas die verdiente Strafe erhielten. Übrigens gehört zu den Aufnahmebedingungen für FBI-Bewerber ein abgeschlossenes rechts- oder verwaltungswissenschaftliches Studium, also zumindest ein College-Diplom. Während die Meisterdetektive der Kriminalliteratur ihre Fälle meist mit keinem anderen Hilfsmittel als einer brillanten Kombinationsgabe zu lösen pflegen, besteht das Rüstzeug des modernen FBI-Beamten aus kriminalistischen Verfahren und wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden, die bisweilen so überaus kompliziert, auch auch exakt sind, wie es sich ein Laie kaum vorzustellen vermag.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 15.04.1960 unter dem Titel "FBI – die Bundeskriminalpolizei der USA (I) – dem Gangster Dillinger wurde ein Autodiebstahl zum Verhängnis – 1. Folge einer Serie von sechs Artikeln." Für weitere Artikel dieser Ausgabe, wie: „Die Zweite Schlacht gegen die Kinderlähmung“, oder „Knappheit der Form – stilistische Disziplin“, klicken Sie bitte hier.

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