Rede Jimmy Carters am Luftbrückendenkmal Berlin
Der Kalte Krieg prägte die Teilung Deutschlands wie kaum ein anderer Konflikt. Zum 30-jährigen Gedenken an die Luftbrücke hielt Jimmy Carter während seines Staatsbesuchs in der BRD am 15.07.1978 eine bewegte Rede über die demokratische Freiheit.
(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)
Berlin. Die Ansprache des amerikanischen Präsidenten am Luftbrückendenkmal in Berlin am 15. Juli 1978 hatte folgenden Wortlaut:
"Herr Bundeskanzler, Herr Regierender Bürgermeister, verehrte Vertreter der USA, der Bundesrepublik Deutschland und der freien Gemeinschaft von West-Berlin. Ich überbringe Ihnen die Grüße von 220 Millionen Amerikanern und das Gelöbnis unserer absoluten Verpflichtung zur Freiheit von uns allen.
Vor 30 Jahren wurde in dieser Woche Präsident Truman erneut von der demokratischen Partei nominiert, die erste Marshall-Plan-Anleihe für Europa wurde angekündigt, und auf diesem Platz hier war vor allem ein Geräusch zu hören: das Dröhnen der alliierten Flugzeuge, die auf dem Flugplatz hinter mir landeten – alle dreieinhalb Minuten eine neue Maschine, die Nachschub für die freie Bevölkerung Berlins brachte.
Ich bin hier mit vier tapferen Männern zusammengetroffen, die an dieser Luftbrücke teilgenommen haben: mit Jack Bennet und Miller Hayes aus den Vereinigten Staaten sowie mit Roy Jenkins und R.K. Hepburn aus Großbritannien, und ich möchte gerne, dass Sie Ihrem Dank Ausdruck verleihen für das, was diese Männer vor 30 Jahren geleistet haben.
Es war die Zeit, da alle Menschen überall anfingen zu begreifen, dass der Streit um Berlin nicht nur eine lokale Angelegenheit war, sondern dass es um die starke Verteidigung der Freiheit und Demokratie ging, die von andauerndem weltweitem Interesse und andauernder Bedeutung war.
Es war die Woche, da die Bevölkerung von Berlin in Massenversammlungen Ernst Reuter und anderen tapferen Vertretern zujubelte, die ihren Willen bekundeten, fest zu bleiben und sich für eine bessere, friedliche, demokratische Welt einzusetzen.
Es war die Woche, in der die Bevölkerung der westlichen Zonen Deutschlands, das, was sie geben konnte, der alliierten Luftbrücke zuführte und ihren Landsleuten hier in Berlin Tausende von Geschenkpaketen schickte.
Es war die Woche, in der deutsche Kommunisten Geschäftsleute im westlichen Teil der Stadt aufsuchten und ihnen drohten, dass, falls sie nicht in die Partei eintreten würden, sie beim Abzug der Westmächte aus Berlin ihre Läden verlieren würden. Das ist nie geschehen und wird nie geschehen.
Und es war die Woche, als die Sowjetunion unsere Forderung nach Beendigung der Blockade mit der Behauptung beantwortete, und ich zitiere, "dass Berlin inmitten der Sowjetzone läge und ein Teil von ihr sei."
Mit dem Mut der Berliner und der Entschlossenheit der Völker des Westens antworteten wir: Berlin bleibt frei.
Ich fühle mich geehrt und bin stolz darauf, heute in dieser historischen Zeit bei Ihnen zu sein und der 78 Amerikaner, Engländer und Deutschen zu gedenken, die während der Luftbrücke ihr Leben einbüßten und durch dieses schlichte und doch beredte Denkmal geehrt werden.
Die Ereignisse, an die es erinnert, waren der Anfang von Verpflichtungen, wie das Atlantische Bündnis, die bis zum heutigen Tage die Freiheit und und Sicherheit Berlins, der Bundesrepublik Deutschlands, Westeuropas und der Vereinigten Staaten bewahrt haben.
Fünf amerikanische Präsidenten haben die von Präsident Truman in jenen schweren Zeiten übernommenen Garantien fortgesetzt, und ich sage Ihnen heute, daß mein Land sie weiter aufrechterhält. Ich habe heute vormittag deutsche und amerikanische Truppen inspiziert, die als Teil des NATO-Bündnisses in der Bundesrepublik stationiert sind. Die Vereinigten Staaten haben 300 000 Soldaten in Europa stationiert, um die Freiheit dieses Kontinents und unseres eigenen Landes zu garantieren. Während meines Besuchs in der Bundesrepublik habe ich selbst die Stärke der Bindungen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten erfahren. Und hier in Berlin legt die Präsenz unserer Truppen und die Einsatzbereitschaft von Tempelhof Zeugnis ab für unsere unverbrüchliche Verpflichtung gegenüber den Menschen dieser großen Stadt.
Berlin und das Viermächte-Abkommen sind Symbole, nicht nur für Werte, über die man nie Kompromisse schließen oder verhandeln kann, sondern auch für praktische Verbesserungen, die von denen erreicht werden können, die bereit sind, geduldig zu verhandeln. Als die Berliner Blockade 1949 aufgehoben wurde, äußerte der Regierende Bürgermeister Reuter den Gedanken, daß „... mit friedlichen Mitteln viel erreicht werden kann, wenn man eine klare Vorstellung davon hat, was politisch möglich ist … Und wenn man politisch einen festen Willen hat.“ Die menschlichen Erleichterungen, die als Folge des Viermächte-Abkommens von 1971 das Leben von Berlinern in West und Ost erhellt haben, sind ein Beweis dafür, was durch Entspannung erreicht werden kann.
Im Rückblick auf die vergangenen Jahre können wir aus der Erfahrung Berlins lernen, was die Bedingungen für die Erhaltung der Freiheit und für den Abbau internationaler Spannungen auch Verhandlungen sind.
Erstens, müssen wir entschlossen sein, unsere grundlegenden Interessen und Ziele aufrechtzuerhalten. Dazu gehören unter anderem die grundlegenden Menschenrechte, zu denen sich die Vereinigten Staaten verpflichtet haben und immer verpflichtet sein werden.
Zweitens, diejenigen, deren Menschenrechte zu verteidigen sind, müssen selbst so der Freiheit verpflichtet sein, wie es die Berliner so hinreichend unter Beweis gestellt haben.
Drittens, müssen wir bei den Verhandlungen über Abkommen, die unsere eigenen Interessen garantieren sollen, bereit sein, den Standpunkt der anderen zu verstehen.
In den 30 Jahren, die seit dem Beginn der Luftbrücke vergangen sind, sind die Berliner und die Amerikaner immer mehr miteinander verwachsen. Jeder Amerikaner, der diese Stadt besucht, findet nicht nur Verbündete für die Sache der Freiheit, sondern gleichermaßen persönliche Freunde. Wir haben nicht die Hilfe vergessen, die Sie Anfang letzten Jahres den unter dem kalten Winter leidenden Amerikanern zukommen ließen, und wir werden weiterhin durch solche Gegebenheiten wie die Luftbrücken-Gedenkstipendien engen Kontakt zwischen denjenigen Generationen bewahren, die noch nicht geboren waren, als unsere Schicksale uns zuerst verbanden. In der Bibel heißt es, „daß eine Stadt auf dem Berge nicht verborgen bleiben kann“. (...)
Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 19.07.1978 unter dem Titel "Ansprache Jimmy Carters am Luftbrückendenkmal in Berlin". Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.