Raphael F. Perl: Über Terrorismus und die Medien

Die Macht der Medien in der globalen, vernetzten Welt kommt eine große Bedeutung zu. Gerade in Bezug auf die Berichterstattung über terroristische Zwischenfälle gestaltet sich ein korrekter Umgang oftmals als Gratwanderung. Welche wünschenswerte Rolle könnten Medien in Anbetracht terroristischer Anschläge einnehmen? Raphael F. Perl, der als Experte für Terrorismus Fragen im Kongress der Library of Congress gilt, versucht dieser Frage im vorliegenden Artikel nachzugehen.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Der Verfasser des nachfolgenden Artikels, Raphael F. Perl, ist beim Forschungsteam des Kongresses der Library of Congress Experte für internationale Terrorismusfragen.

Bei der Konfrontation von Regierungen mit Terroristen stellen die Medien weiterhin eine mächtige Kraft dar. Wenn sie sich an die Öffentlichkeit wenden und diese beeinflussen, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Aktionen von Regierungen, sondern auch von Terrorgruppen.
Aus der Sicht der Terroristen ist die Berichterstattung in den Medien ein wichtiges Maß für den Erfolg von Geiselnahmen, bei denen die Medien für den Terroristen möglicherweise die einzige unabhängige Quelle für Berichterstattung über den Lauf der Ereignisse sind, kann die Berichterstattung eine Rettungsaktion erschweren.
Regierungen können sich der Medien bedienen, um die Weltöffentlichkeit gegen ein terroristisches Land oder eine Terrorgruppe aufzubringen. Öffentlichkeitsarbeit und die Medien können auch eingesetzt werden, um die Öffentlichkeit in anderen Ländern zu mobilisieren, Druck auf die Regierung auszuüben, damit diese gegen den Terrorismus vorgeht.
Margaret Thatcher stellte einmal fest, Publicity sei der Sauerstoff für den Terrorismus. Das unterstreicht, daß Public Relations eine wichtige Waffe der Terroristen und die Medien das zentrale Medium für den Einsatz dieser Waffe sind. Der Terrorismus spielt heute in den Medien eine Rolle.
Dieser Artikel befaßt sich mit den widersprüchlichen Ansichten über die wünschenswerte Rolle der Medien bei der Berichterstattung über terroristische Zwischenfälle sowie den verschiedenen Erwartungen an die Medien: Was die Terroristen erwarten, was die Regierung erwartet, was die Medien von der Berichterstattung über einen Terroranschlag erwarten.
Anschießend untersucht er drei Trends, die Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Terrorismus und Medien haben und bietet zum Abschluß einige Optionen.

Die Erwartungen der Terroristen an die Medien

Terroristen, Regierungen und die Medien sehen Funktion, Rolle und Pflichten der Medien bei der Berichterstattung über Terroranschläge aus unterschiedlichen und oftmals scheinbar widersprüchlichen Blickwinkeln. Diese Einstellungen leisten dem Gruppenverhalten während terroristischer Gewaltakte Vorschub, was oftmals zu taktischen und strategischen Vorteilen für die Terroristen und ihre Sache führt. Für die Regierung und die Medien besteht die Herausforderung darin, die diesen Einstellungen innewohnende Dynamik zu erkennen und politische Optionen zu entwickeln, die den jeweiligen Interessen dienen.

Terroristen wollen kostenlose Publicity, die eine Gruppe normalerweise nicht bekommt oder sich nicht leisten kann. Jegliche Publicity macht die Welt auf ein existierendes Problem aufmerksam, das nicht ignoriert werden darf und angesprochen werden muß. Ein unredigiertes Interview ist ein kostbares Gut, beispielsweise das im Mai 1997 von CNN gesendete Interview mit Mohammed Bin Ladin. Zugang zu einem Terroristen verspricht eine heiße Story.
Terroristen wollen Verständnis für ihre Sache, wenn nicht sogar für ihre Aktionen. Man mag ihren Aktionen nicht zustimmen, was jedoch nicht ausschließt daß man Teilnahme an ihrem Leiden und ihrer Sache zeigt. Die Öffentlichkeit braucht Hilfe um zu verstehen, daß ihre Sache gerecht und terroristische Gewalt ihr einziges Mittel im Kampf gegen die überlegenen Kräfte des Bösen ist. Daher sind gute Beziehungen zur Presse für sie von großer Bedeutung, weshalb sie oft über Jahre aufgebaut und weiterentwickelt werden.
Terroristen versuchen unter Umständen, ihren Anhängern Stellen im Pressebereich zu vermitteln, insbesondere bei Nachrichtenagenturen, und bemühen sich manchmal sogar, kleinere Medienorganisationen durch Finanzhilfe zu kontrollieren. Ein Beispiel ist Bin Ladin, der angeblich einen islamischen Nachrichtendienst am Golf finanziert haben soll, der einen harten Kurs verfolgt.
Sie wollen Legitimität. Die Presse soll das legitimieren, was oft als eindeutige Spaltung zwischen bewaffneten Gruppen und politischen Gruppierungen dargestellt wird. Die IRA und die Hamas sind Beispiele. Musa Abu Marzuq beispielsweise, dem der politische Flügel der Hamas unterstand, hat angeblich bestimmte Bombenanschläge und Morde befürwortet. Solche Unterscheidungen dienen oftmals dazu, den Menschen den Beitritt zu Terrororganisationen zu erleichtern.
Sie wollen, daß die Presse den Erkenntnissen und Ansichten speziell ins Leben gerufener Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Legitimation verschafft und prüft, welche Zentren als Deckmantel für terroristische Finanzierung, Anwerbung und Reisen von Terroristen ins Zielland dienen können. Die Finanzierung des palästinensisch-islamischen Dschihad und seiner Kontrolle über World und Islam Studies Enterprise ist nur eins von vielen Beispielen.
Ein zweites ist die von der Hamas finanzierte Islamic Association for Palestine (IAP) mit Sitz in Richardson (Texas).
Sie wollen – im Fall von Geiselnahmen – Einzelheiten über Identität, Zahl und Wert der Geiseln, über möglicherweise geplante Rettungsversuche sowie das Ausmaß der öffentlichen Berichterstattung über ihre Operation. Insbesondere wenn staatliche Sponsoren betroffen sind, wollen sie Einzelheiten über Pläne für militärische Vergeltungsmaßnahmen.
Und sie wollen die Hilfe der Medien, um ihrem Feind Schaden zufügen. Das gilt insbesondere, wenn die Gewalttäter und der Grund für ihr Handeln anonym bleiben. Sie wollen, daß die Medien Panik machen, Angst verbreiten, wirtschaftliche Verluste wie beispielsweise beim Tourismus herbeiführen, damit die Bevölkerung das Vertrauen in die Fähigkeit ihrer Regierung verliert, sie zu schützen, und damit Regierung und Bevölkerung in bestimmten Situationen und im Hinblick auf die gesamte Bedrohung durch den Terrorismus überreagieren.

Die Erwartungen der Regierungen an die Medien

Regierungen erwarten von den Medien Verständnis, Zusammenarbeit, Zurückhaltung und Loyalität bei ihren Bestrebungen, den durch Terrorismus verursachten Schaden für die Gesellschaft zu begrenzen und die für terroristische Gewalttaten Verantwortliche zu bestrafen oder festzunehmen. Das gilt insbesondere für folgende Bereiche:

Regierungen wollen Publicity zur Förderung ihrer Tagesordnung und nicht der terroristischen. Aus ihrer Perspektive sollten die Medien bei bestimmten Operationen die Aktionen der Regierung unterstützen und ihr die benötigten Informationen liefern

Ein wichtiges Ziel besteht darin, den Terroristen von den Medien abzuschotten – und ihm so das Forum für Propaganda zu entziehen, ohne daß dies zu seiner unmittelbaren Niederlage führt

Ein weiteres Ziel besteht darin, daß die Medien Terroristen als gemeine Verbrecher brandmarken

Im Fall von Geiselnahmen (…)

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 25.06.1997 unter dem Titel "Terrorismus, die Medien und das 21. Jahrhundert". Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.

Raphael F. Perl: Über Terrorismus und die Medien