Nuklearer Balanceakt der Supermächte: SALT-Verhandlungen geben Grund zur Hoffnung

1978 Wettrüsten der Supermächte: Senator Culver, Berater der amerikanischen Delegation bei den SALT-Verhandlungen (Strategic Arms Limitation Talks), spricht sich für die SALT-II Verhandlungen aus. Das Streben nach Überlegenheit statt nach Abrüstung beider Seiten führe nicht zu mehr Sicherheit in Zeiten, in den beide Supermächte eine beängstigende Overkill-Kapazität erreicht hätten.
Lesen Sie die Argumentation des Senators im Amerikadienst Artikel vom 13.09.1978.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Senator Culver, der als Angehöriger der demokratischen Partei den Bundesstaat Indiana im US-Senat vertritt, ist Mitglied des Senatsausschusses für die Streitkräfte und Berater der amerikanischen Delegation bei den SALT-Verhandlungen.
Trotz verbreitet geäußerter Vermutungen, daß die sowjetische Führung einen Nuklearangriff führen könnte, weil sie selbst nur mit mäßigen Schäden und wenigen Verlusten rechnet, schätzen unsere Nachrichtendienste, daß durch die amerikanische Vergeltung eines sowjetischen Angriffs mehr als 100 Millionen Sowjetbürger getötet würden.
Ein neuer vom CIA gebilligter Geheimdienstbericht deutet an, daß das sowjetische Zivilverteidigungssystem, obgleich es für bemerkenswerte nationale Anstrengungen spricht, in keiner Weise ausreichend wirksam ist, um die Sowjets zu ermutigen, die Auslösung eines nuklearen Krieges zu riskieren.
Der Geheimdienstbericht, der die erste umfassende Studie dieses Themas in nichtgeheimer Form darstellt, besagt, daß eine merkliche Verringerung der sowjetischen Verluste eine massive Evakuierung der Städte erfordern würde – ein Umstand, der unsere eigenen Streitkräfte in die Lage versetzte, einen höheren Grad von Bereitschaft und Überlebensfähigkeit zu erlangen.
Der Bericht zeigt auf, daß die sowjetischen Anstrengungen auf dem Gebiet der Zivilverteidigung nicht ausreichen, um im Fall eines nuklearen Krieges Millionenverluste an Menschen und massive Schäden für die Industrie zu verhindern. Kurzum – ein Atomkrieg wäre eine Katastrophe für die Sowjetunion, da sowjetische Programme nicht genügen, um die strategische Waagschale zu unseren Ungunsten zu neigen.
Von Zeit zu Zeit hören wir das Argument, daß die Vereinigten Staaten stärker als die Sowjets sein müßten, weil sie, da wir nicht den ersten Schlag gegen sie führen würden, einen ersten Schlag gegen uns führen könnten. Man argumentiert, daß wir nur dann, wenn wir überlegen seien, nach dem ersten Schlag genügend Kraft für den Gegenschlag hätten.
Die Antwort darauf ist, daß das Streben nach Überlegenheit oder einseitigem Vorteil in der heutigen Welt, in der beide Seiten über eine beängstigende Overkill-Kapazität verfügen, in Wirklichkeit Illusion ist. Ich glaube nicht, daß ein solches Bestreben mehr Sicherheit brächte. Wir werden niemals in der Lage sein, die Vorteile wiederzuerlangen, die wir in den fünfziger und sechziger Jahren hatten. Wenn jedoch die Sowjetunion so unklug wäre, beispielsweise jetzt einen Angriff gegen die Vereinigten Staaten zu führen, hätten wir den Vorteil der doppelten Abschußkapazität für nukleare Sprengköpfe. Selbst bei einem ersten Schlag gegen unsere Landbasen gäbe es noch genügend nukleare Gefechtsköpfe an Bord unserer U-Boote und Bomber, um der Sowjetunion verheerende Schäden zuzufügen.
Die Chefs des gemeinsamen Generalstabs haben dem Kongress wiederholt versichert, daß die strategischen Streitkräfte der USA ausreichen, um unsere Vergeltungsziele zu erreichen. In der Tat besitzen wir mehr als doppelt so viele nukleare Kampfmittel wie die UdSSR – 9 000 gegenüber etwas mehr als 4 000. Gleichzeitig ist die Treffsicherheit der unseren wesentlich größer als die der sowjetischen.
Der nichtgeheimen Studie des Budgetamtes des Kongresses zufolge würden die Vereinigten Staaten, wenn es in den neunziger Jahren zu einem Angriff käme, auch danach noch über mehr Gefechtsköpfe für den Gegenschlag verfügen, als die UdSSR heute besitzt. In dieser Situation des „schlimmsten Falles“ hätten wir, je nach Vorwarnzeit, zwischen 4 600 und 8 300 Gefechtsköpfe verfügbar. Darüberhinaus würden diese Waffen, so ist zu erwarten, mehr als 80 Prozent der sowjetischen Industrie und mehr als 90 Prozent der allgemeinen militärischen Ziele zerstören.
Mit der Aussicht auf eine derartige Verwüstung konfrontiert, wäre es selbstmörderisch für die sowjetische Führung, einen Angriff gegen uns zu starten.
Die Vereinigten Staaten folgen bei der Modernisierung ihrer strategischen Streitkräfte einem klugen, doppelgleisigen Weg und sind außerdem bestrebt, dem Rüstungswettlauf durch einen neuen Vertrag über die Begrenzung strategischer Rüstungen (SALT) die Spitze zu nehmen.
Wir bauen eine neue Generation von TRIDENT-U-Booten mit Raketen größerer Reichweite auf. Wir verbessern unsere MINUTEMAN-Raketen durch Erhöhung der Treffgenauigkeit, der Wirksamkeit der Gefechtsköpfe und durch verstärkte Sicherung der Silos. Außerdem entwickeln wir Marschflugkörper („Cruise Missiles“) nach modernster Technologie, um die kontinuierliche Stärke unserer Bomberflotte zu gewährleisten. Inzwischen hat der Oberkommandierende des strategischen Luftkommandos zu Protokoll gegeben, daß „unsere neuesten B-52-Bomber auch weiterhin bis 1987 – und wahrscheinlich bis in die neunziger Jahre hinein – wirksame Eindringstärke haben werden“.
Der SALT II-Vertrag würde für die USA und die UdSSR die strategischen Systeme und gewisse Raketentypen auf gleichgroße Zahlen begrenzen und von den Sowjets verlangen, 250 – 300 Abschlußrampen – mehr als 10 Prozent der gegenwärtigen Anzahl – zu demontieren. Während viele schwierige Streitfragen noch gelöst werden müssen, sind diese grundlegenden Merkmale, durch die das sowjetische Wachstum begrenzt und gleichzeitig unsere Abschreckungsmacht erhalten wird, wichtige Schritte zur Verringerung der Gefahr eines nuklearen Krieges.
Meines Erachtens würde der SALT II-Vertrag die strategische Stabilität fördern und dabei den Rüstungswettbewerb in der Zukunft begrenzen. Und wir müssen berücksichtigen, welches unsere Sicherheitssituation ohne ein Abkommen wäre. Auch kann ich mir bei keinem einzigen Kongressmitglied, geschweige denn beim ganzen Kongress vorstellen, jemals ein Abkommen zu akzeptieren, das uns in eine unterlegene oder gefährliche Lage bringen würde.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 13.09.1978 unter dem Titel "SALT und das nukleare Gleichgewicht". Für weitere Artikel dieser Ausgabe, wie: „Versuche mit Interferon-Therapie bei Krebs und Virusinfektionen“, oder „Botschaft Carters an UN-Konferenz über technische Zusammenarbeit“, klicken Sie bitte hier.

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