Nobelpreisträger Dr. Edward M. Purcell im Porträt
"Die Welt einen Augenblick lang in ihrem Reichtum und ihren Besonderheiten [zu betrachten], ist der Lohn so mancher Entdeckungen" – dies waren Edward Mills Purcells Worte, als er 1952 den Nobelpreis für Physik entgegennahm. Verliehen wurde er ihm zusammen mit Felix Bloch für ihre Entdeckung der Kernspinresonanz (NMR). Lesen Sie mehr über die herausragende Forschungsarbeit des Harvard-Professors.
(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)
(Prof. Dr. Purcell nimmt zusammen mit anderen amerikanischen Wissenschaftlern an der diesjährigen Tagung der Nobelpreisträger teil, die Ende Juni in Lindau/ Bodensee abgehalten wird.)
„Die Welt einen Augenblick lang in ihrem Reichtum und ihren Besonderheiten zu schauen ist der Lohn so mancher Entdeckungen.“ Dieses Zitat aus der Rede, die Professor Edward Mills Purcell nach der Entgegennahme des Nobelpreises 1952 für Physik in Stockholm hielt, läßt bereits seine Einstellung zur Naturwissenschaft und zum wissenschaftlichen Arbeiten erkennen. Wie nur wenige hat er eine besondere Gabe, die Wunder dieser unserer Welt aufzuspüren und sich ehrlich an ihren zu freuen.
Damals schon galt Purcell, seit 1936 Lehrer an der physikalischen Abteilung der Harvard-Universität, als einer der begabtesten amerikanischen Atomphysiker der jüngeren Generation. Er leistete wichtige Beiträge zur Erkenntnis besonderer Eigenschaften des Atomkerns und der Nukleonen, die nicht nur für die Kernphysik im engeren Sinne, sondern auch für die physikalische Chemie und die Astronomie von großer Bedeutung sind.
Der Nobelpreis war ihm – zusammen mit dem schweizerisch-amerikanischen Physiker Prof. Dr. Felix Bloch (Stanford-Universität, Kalifornien) – für die Entwicklung einer neuen Methode verliehen worden, mit der es möglich ist, auf einfache und billige Weise magnetische Kraftfelder in den Atomkernen mit unvorstellbarer Präzision zu messen. Die größte Abweichung vom tatsächlichen Wert bei diesem Verfahren nur ein Millionstel der benutzten Maßeinheit.
Edward Mills Purcell, der am 30. August 1912 in dem Städtchen Taylorville (Illinois) geboren wurde, zeichnete sich bereits als junger Student an der Purdue-Universität (Lafayette, Indiana) durch außergewöhnliche Leistungen aus. Als 22jähriger studierte er ein Jahr lang der Technischen Hochschule Karlsruhe und ging dann zur Harvard-Universität, wo er 1936 die Diplomprüfung ablegte und 1938 promovierte. Dieser Universität ist er bis heute treu geblieben.
Nach den Kriegsjahren, in denen Dr. Purcell an der Entwicklung der Radartechnik mitarbeitete, galt seine besondere Aufmerksamkeit der Untersuchung des Verhaltens von Atomkernen in magnetischen Feldern, weil er sich davon neue Erkenntnisse über die Struktur der Kerne und die in ihnen wirksamen Kräfte erhoffte. Die Wirkung von Magnetfeldern auf chemische Elemente, wie sie sich in der Verlagerung und Aufspaltung von deren Spektrallinien zeigt, erklärten erstmals die holländischen Physiker Zeeman und Lorentz zu Beginn dieses Jahrhunderts. Spätere Arbeiten auf dem Gebiet der Magneto-Optik mit Spektralapparaten höchster Trennschärfe ergaben, daß die Spektrallinien vieler Atome und Atomvarianten (Isotope) aus einer ganzen Gruppe von Linien bestehen, die allerdings nur Bruchteile von Angström (1 Angström = 1 zehnmillionstel Millimeter) auseinanderliegen. Für das als Hyperfeinstruktur bezeichnete Phänomen fand Wolfgang Pauli im Jahr 1924 eine Erklärung, indem er nachwies, daß dieses als Reaktion der Kerne auf das Magnetfeld auftritt: er schrieb den Kernen jener Atome einen Drehimpuls und ein magnetisches Moment zu. Unabhängig voneinander suchten in den vierziger Jahren Prof. Bloch und Purcell nach neuen Wegen zur exakten Messung der dabei wirksamen nuklearen Kräfte.
Purcells Forschungen führten zur Entwicklung der sogenannten Kernresonanz-Methode, mit der das Verhalten und die Eigenschaften von Atomkernen beobachtet und quantitativ bestimmt werden können. Das Verfahren kann bei gasförmigen, flüssigen und festen Substanzen angewandt werden und erfordert keine kostspielige Laboratoriumsausrüstung.
Man bringt dabei eine Substanz, die die zu untersuchenden Atome enthält, zwischen die Pole eines sehr starken Magneten.
Bei seinen Bemühungen um eine Klärung des Problems des Paramagnetismus im Atomkern kamen Dr. Purcell seine Erfahrungen aus der Radartechnik zugute. Paramagnetismus ist die Eigenschaft von Objekten, die unter den Einfluß eines Magnetfeldes gelangen, sich den magnetischen Kraftlinien entsprechend auszurichten. Wenn das Objekt rotiert, wie es ja bei einem Proton im Atomkern der Fall ist, wird die Rotationsachse beeinflußt. Führt man nun ein zweites Magnetfeld ein, das auf dem ersten senkrecht steht, dann beginnt die Achse zu „taumeln“ (sie „präzessiert“), ähnlich wie es bei der Erdachse unter dem Einfluß der Gravitationskräfte von Sonne und Mond geschieht. Der „Takt“ dieser Präzession läßt sich ermitteln, und zwar nach Prof. Purcells Methode mit Hilfe eines Oszillographen durch Messung der Impedanzveränderungen in einer Spule, die die Probe im Magnetfeld umgibt. Der Hochfrequenzstrom, der der Spule zugeführt wird, muß in der Phase auf die Präzessionsfrequenz der zu untersuchenden Atomkerne abgestimmt sein. Dr. Purcell erachtet die weitere Untersuchung des „Kernmagnetismus“ als ein außerordentlich wichtiges neues Gebiet der kernphysikalischen Forschung.
Als er 1952 den Nobelpreis erhielt, hatte er bereits die vorbereitenden Untersuchungen für ein Projekt auf einem ganz anderen Gebiet, nämlich der Radioastronomie, abgeschlossen. Die Harvard-Universität plante damals als eines der ersten Institute den Bau eines Radioteleskops und benötige dafür zusätzliche wissenschaftliche Unterlagen, die Prof. Purcell zusammen mit Dr. Harold I. Ewen erarbeitete. Die beiden Forscher entdeckten 1951 im Verlauf dieser Arbeiten eine dem atomaren Wasserstoff zukommende Linie im Ultrakurzwellenspektrum der Milchstraße. Purcell bestätigte damit als erster experimentell Hypothesen, die von Astronomen über das Vorhandensein neutralen Wasserstoffs im Weltraum aufgestellt worden waren.
Radioteleskope sind in der Lage, durch Auffangen elektro-magnetischer Wellen niedriger Frequenz als der des sichtbaren Lichts, sogenannter Radiowellen, für die optische Teleskope unsichtbare Strahlungsquellen im Weltall auszumachen und Strahlenemissionen sichtbarer Himmelskörper im Bereich der Radiowellen aufzuspüren. Die Sonne, einige Planeten, Sterne anderer Sonnensysteme, Galaxien und die riesigen Wasserstoffwolken im interstellaren Raum der Milchstraße sind heute als Quellen von Radiostrahlung bekannt. Auf Grund dieser Untersuchungen sind neue Himmelskarten entstanden, die die Position der „Radiosterne“ oder unsichtbaren „Dunkelsterne“ angeben.
Mit Hilfe von (…)
Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 25.05.1962 unter dem Titel "Dr. Edward M. Purcell – Schwingungsforschungen im Mikro- und Makrokosmos". Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.