Mehr als nur "Kinder, Kirche und Küche"
"Obwohl einige Frauen im öffentlichen Leben Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt haben, darf man wohl feststellen, daß bis zum heutigen Tage der Schwerpunkt ihrer Stellung, ihrer Tätigkeit und ihres Einflusses auf den drei traditionellen K's gelegen hat, auf: Kinder, Kirche und Küche. ", so der amerikanische Hochkommissar Benjamin J. Buttenwiesner, der in seiner Rede in Heidelberg an die Frau Deutschlands auch einen Wunsch richtete.
(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)
Heidelberg – „Ich will Ihre Zeit nicht damit verschwenden, die traditionelle Stellung der deutschen Frau aufzuzeigen. Obwohl einige Frauen im öffentlichen Leben Deutschlands eine bedeutende Rolle gespielt haben, darf man wohl feststellen, daß bis zum heutigen Tage der Schwerpunkt ihrer Stellung, ihrer Tätigkeit und ihres Einflusses auf den drei traditionellen K's gelegen hat, auf: Kinder, Kirche und Küche. Ich führe dies nicht mit irgendeiner herabsetzenden Absicht an, sondern allein um eine historische Tatsache festzustellen. Ebenso soll diese Bemerkung keineswegs etwa ein Werturteil über die Bedeutung dieser drei Faktoren im Leben der Frau sein. Die Bedeutung einer richtigen Kindererziehung, des Heims und der Religion auf die Entwicklung einer Nation kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Jedoch würde ich es für das Zugeständnis eines beträchtlichen Mangels an Fähigkeiten und Initiative halten, wenn die Frauen irgendeines Landes jemals zugeben würden, daß ihre Betätigung auf persönlichem, lokalem und nationalem Gebiet nicht die Grenzen ihres Heims, ihrer Kinder und ihrer Kirche überschreiten könnten.
Dies erhält im Falle des heutigen Deutschland besonderen Nachdruck, denn hier kommen ungefähr 113 Frauen auf 100 Männer. Dieses Mißverhältnis – und die daraus folgende dringende Notwendigkeit für die Frauen, aktiv an den öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen – wird noch betont, wenn man nur die Erwachsenen in Betracht zieht, denn in der Altersgruppe über 21 Jahre kommen fast 119 Frauen auf 100 Männer. Unter dem Gesichtspunkt des Wiederaufbaus betrachtet, wird das Bild noch deutlicher, denn bei den besten Arbeitsjahrgängen – nämlich zwischen 25 und 34 – kommen fast 133 Frauen auf 100 Männer.
Um zu der Familie als der wahren Grundlage unserer menschlichen Gesellschaft zurückzukehren, glaube ich, daß bei der Beurteilung des Fortschritts irgendeines Landes oder einer Gesellschaft die allerersten Kriterien zweifellos der Entwicklungsgrad der Familie, des Heims und der Religion sind – und sie alle stehen unter der vorherrschenden geistigen Führung und dem Einfluß der Mutter. Danach und ihnen sehr nahe in der Rangordnung dieser Kriterien käme das Verhältnis zwischen den Regierten und denjenigen, die nach demokratischen Prinzipien auserwählt wurden, die Regierungsgewalt auszuüben. Da im heutigen Deutschland die Frauen ungefähr 55% der wahlberechtigten Bevölkerung ausmachen, genügen wenige Worte, um die Macht zu betonen, die die deutschen Frauen durch den richtigen Gebrauch ihrer Wahlstimmen in Händen halten.
Nun zu einigen konkreteren Punkten, die sich auf die bessere Entwicklung eines Volkes, der Familie und insbesondere der Jugend beziehen. Unter Berücksichtigung der heute in Deutschland herrschenden Schwierigkeiten und ohne die Tatsache aus dem Auge zu verlieren, daß in ihrem Gefolge jeder Fortschritt langsam vonstatten gehen wird, sollte das deutsche Volk und sollten besonders Deutschlands Mütter ununterbrochen wachsam sein, aktiv eingreifen und ihre Stimme erheben, um auf den wichtigen Gebieten des Wohnungsbaus, des öffentlichen Gesundheitswesens, der Erziehung, der sozialen Gesetzgebung und nicht zuletzt auf dem weiten Gebiet der Löhne, Arbeitsbedingungen und Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen das bestmögliche im Interesse des ganzen Volkes und besonders ihrer Kinder zu erreichen. Diese Interessen der Werktätigen gehen auch die Frauen an, und zwar nicht nur zu ihrem eigenen Nutzen oder dem der Männer, sondern insbesondere im Interesse derjenigen Jugendlichen, die die Notwendigkeit zwingt, in einem früheren Alter zu arbeiten, als es die modernen soziologischen Auffassungen normalerweise zulassen. Ich hebe in Verbindung mit dem Arbeitsproblem die Jugend besonders hervor, und ich tue das bei jeder passenden Gelegenheit, weil es nicht oft genug wiederholt und betont werden kann, welche lebenswichtige und weitreichende Bedeutung das Heranwachsen einer gesunden, aufgeklärten und zufriedenen Jugend für Deutschland hat, wenn es die Rolle in der Gemeinschaft der Nationen spielen soll, für die es durch seine Kultur, seine schöpferische Kraft, seinen Fleiß und seiner Erfindungsgabe sowie seine geographische Lage so hervorragend befähigt ist.
Der Jugend Deutschlands muß ständig vor Augen geführt werden, daß sie keine vergessene Generation ist und daß sie eine hoffnungsvolle und würdige Zukunft vor sich hat. Die Mütter müssen und können dazu wesentlich beitragen. So wichtig Abstimmungen auch immer sein mögen, sie allein genügen nicht, um diese wichtige, aber sicherlich nicht unmögliche Aufgabe zu lösen.
Über den Gebrauch ihres Wahlrechtes hinaus können und müssen die Frauen eine wirkliche und aktive Rolle in öffentlichen Angelegenheiten spielen – in den Regierungen, Gemeindeverwaltungen und anderen Selbstverwaltungskörperschaften.
Um zu den konkreten Punkten zurückzukehren, auf welche die Aufmerksamkeit gerichtet werden sollte, wenn man eine Verbesserung der Regierung anstrebt, wollen wir sie der Reihe nach betrachten: Im Wohnungs- und öffentlichen Gesundheitswesen, in der Erziehung und der sozialen Gesetzgebung ist die Frau besonders geeignet, die Führung zu übernehmen.
Es gibt skeptische, zynische, rückständige und unverbesserliche Schwarzseher – glücklicherweise ist ihre Zahl und Bedeutung nur gering – die dazu neigen, vor dieser wachsenden Emanzipation der Frau von ihren häuslichen Pflichten zu warnen. Sie vertreten immer noch den längst überwundenen Standpunkt, daß eine Frau nicht die doppelte Aufgabe erfüllen kann, eine gute Mutter und Gattin zu sein und gleichzeitig Zeit und Kraft aufzubringen, nicht nur eine eigene Berufskarriere zu verfolgen, sondern auch noch am öffentlichen Leben teilzunehmen. So tief und unwandelbar ist meine Ehrfurcht vor der Unantastbarkeit der Familie und meine Überzeugung, daß dem Aufbau der Familie, von Mann und Frau gleichermaßen geleitet, die erste Stelle gebührt, daß ich eines sagen möchte: Wenn ich im geringsten befürchten würde, eine Beteiligung am öffentlichen Leben könnte dieser Aufgabe der Frau möglicherweise Abbruch tun, dann wäre ich der allerletzte, eine solche Beteiligung zu befürworten.
Hier möchte ich noch etwas einflechten. Obgleich ich eine klare Trennung von Kirche und Staat für die Grundpfeiler der Freiheit und einer guten Regierung halte, ändert dies nicht das geringste an meiner festen Überzeugung, daß die Religion eine wesentliche und alles durchdringende Rolle spielen muß, wenn die menschliche Gesellschaft sich nach höheren, ethischen Prinzipien entwickeln und nicht einen trostlosen, materialistischen, gottlosen Weg einschlagen soll. Infolgedessen möchte ich noch einmal wiederholen: Wenn ich Kinder, Kirche und Küche erwähnt habe, so tat ich es mit tiefster Achtung für ihre Bedeutung in einem harmonischen Heim und Familienleben und ganz besonders bei der Erziehung unserer Kinder (...)“
Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Für die Frau“ vom 06.06.1951 unter dem Titel "Die Rolle der Frau im heutigen Deutschland – Auszug aus der Rede des stellvertretenden amerikanischen Hochkommissars in Deutschland, Benjamin J. Buttenwieser, vom 26. Mai 1951 in Heidelberg". Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.