Mayflower 2.0: Major Marwick Charlton's Traum geht in Erfüllung

Die Mayflower II ist der wahr gewordene Wunschtraum des Major Warwick Charlton und ein getreuer Nachbau der bedeutsamen ersten Mayflower, auf der vor über 300 Jahren die ersten Pilgerväter nach Amerika gelangten. Erfahren Sie in diesem Artikel des Amerikadienstes mehr über die Mayflower II und ihre "originalgetreue" Entstehungsgeschichte.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Ein Artikel von Walter Segner

Washington – Das altertümliche Segelschiff, Modell 1580, das sich im Augenblick noch auf hoher See befindet und den ehrwürdigen Namen „Mayflower II“ trägt, ist der Wirklichkeit gewordene Wunschtraum des britischen Majors Warwick Charlton. Er hatte während des letzten Krieges, als er gemeinsam mit amerikanischen Soldaten auf europäischen Kriegsschauplätzen kämpfte, den Plan gefaßt, dieses schwimmende Denkmal der englisch-amerikanischen Verbundenheit über den Atlantik zu schicken.
In der Geschichte der Neuen Welt steht die alte „Mayflower“ höchstens der „Santa Maria“ an Bedeutung nach. Während von Bord der spanischen „Santa Maria“ Christoph Columbus zum ersten Mal Amerika betrat, waren die 102 Passagiere der „Mayflower“ die ersten Engländer, die in Nordamerika eine bleibende Kolonie gründeten. Die „Pilgerväter“, wie man die Kolonisten nannte, waren wahrscheinlich auch die ersten, die nicht der Durst nach Gold und Macht, sondern der Drang nach Freiheit in die Neue Welt geführt hatte. Ähnlich wie die „Unabhängigen“ um 1600 in England gegen das ihnen ungerecht erscheinende Regime des Staates und der anglikanischen Staatskirche aufgelehnt. Sie wurden vor die Wahl gestellt, sich entweder den Gesetzen zu unterwerfen oder das Land zu verlassen. Viele von ihnen wählten das letztere und gingen zunächst nach Leyden in Holland, von wo sie wenige Jahre später zurückkehrten, nur um sofort in das damals noch fast unbekannte Nordamerika weiterzureisen. Den 120 „Unabhängigen“, die sich zu diesem Wagnis entschlossen hatten, standen zwei Schiffe zur Verfügung, die „Speedwell“ und die „Mayflower“. Kurz, nachdem sie am 5. August 1620 von Southampton abgesegelt waren, erwies sich jedoch die „Speedwell“ als völlig seeuntüchtig und mußte wieder umkehren. Mit einmonatiger Verspätung verließen dann am 6. September 1620 (alte Zeitrechnung) 102 Auswanderer – unter ihnen 29 Frauen – und eine Mannschaft von 20 Matrosen, die die „Mayflower“ buchstäblich bis zum letzten Platz ausfüllten, die südenglische Stadt Plymouth. Die Fahrt war qualvoll. Die „Mayflower“ war ein viel zu altes Schiff, die Lebensmittel gingen bald zur Neige, und der Trinkwasservorrat mußte durch Regenwasser ergänzt werden, das man im Segeltuch auffing. Aber auch als das Schiff nach 66 Tagen an dem zu Ehren der letzten englischen Stadt so genannten Plymouth-Felsen anlegte und die Besatzung an der Küste des heutigen Massachusetts ein neues Plymouth gründete, war der Leidensweg der „Pilgerväter“ nicht zu Ende.

Knapp vor der Landung hatten 41 der würdigsten Pilgerväter den berühmten Mayflower-Vertrag unterzeichnet. In dieser Verfassungsurkunde des ersten freiheitlichen amerikanischen Gemeinwesens ist die Rede von Virginia, denn den Auswanderern war damals noch nicht klar, daß sie weit nördlich von diesem Gebiet gelandet waren. Dem furchtbaren, kalten Winter, der bald nach dieser Landung über sie hereinbrach, fiel fast die Hälfte der Kolonisten zum Opfer. Die übrigen verdankten ihr Überleben nur dem Umstand, daß auch die Indianer durch Seuchen dezimiert und zu schwach zum Angriff waren. Irgendwo an der Front faßte nun im letzten Weltkrieg der Major Charlton, der selbst Bürger der englischen Stadt Plymouth ist, den Plan, diese Fahrt historisch getreu zu wiederholen.
Der Name „Mayflower“ ist in Amerika fast heilig: von einem der Passagiere dieses Schiffes abzustammen, bedeutet in den USA etwas Ähnliches wie ein hohes Adelsprädikat in Europa. Deshalb hätte sich wohl auch leicht ein amerikanischer Millionär gefunden, der die rund 300 000 Dollar für den Bau einer „Mayflower II“ gespendet hätte. Aber das wollte Charlton nicht. Seine Mayflower sollte ausschließlich von Engländern bezahlt werden, und zwar von so vielen wie nur möglich. Außerdem sollte die Mayflower II so gebaut werden, wie man vor dreihundert Jahren Schiffe gebaut hatte: mit echten Werkzeugen des 17. Jahrhunderts, mit Säge und Zimmermannsbeil, aus Eichenholz, Holznieten, Teer und Werg.
Allen größeren Werften, an die sich Charlton wandte, war die Erfüllung dieser Bedingungen zu schwierig. Sie kommen zwar mit modernen Baustoffen und Konstruktionen gut zurecht, aber die Kunst, mit den bescheidenen Mitteln des 17. Jahrhunderts seetüchtige Segler zu bauen, ist in Vergessenheit geraten. 
Obwohl man keineswegs mehr wußte, wie die Mayflower eigentlich ausgesehen hat – der einzige genauere Hinweis auf das Schiff ist eine Eintragung im Londoner Hafenbuch, in der es heißt: „Mayflower, Kapitän Christopher Jones, 1609, Ladung 180 Tonnen“, zeichnete der amerikanische Architekt William Baker nach Bildern und Skizzen aus der Renaissance schließlich Pläne für einen 29 m langen Dreimaster mit hohem Achterdeck und acht Kanonenluken, der recht überzeugend wirkte.
Auch das Geld war relativ rasch beisammen. Man hatte zu diesem Zeitpunkt nur leider noch niemanden gefunden, der den Bau übernehmen wollte, und das Problem wurde zu einem Lieblingsthema der britischen Presse. Eine Reportage in den „Illustrated London News“ bewog schließlich den Schiffsbauer Stuart Upham in dem englischen Fischerstädtchen Brixham, dessen Werft seit 160 Jahren nur hölzerne Schiffe baut, den Auftrag auszuführen.
Der Bau des Schiffes kam viel billiger als Charlton zuerst angenommen hatte, da fast das gesamte Material von englischen Firmen kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Dabei bemühten sich diese Firmen, möglichst authentische Bestandteile zu liefern: Seile, die nach uralten Techniken gedreht worden waren, handgenähte Segel, Kopien von nautischen Instrumenten der Renaissance und die Anzüge der Mayflowerbesatzung, die genauso gekleidet wurden wie die Pilgerväter vor 337 Jahren. Man hatte sogar die Absicht, Eichenholz von der echten Mayflower zu verwenden. Es war nämlich einst üblich gewesen, ausdiente Schiffe zu zerlegen und ihr Holz zu Bauzwecken zu verwenden. Tatsächlich gibt es eine große, alte Scheune in der Nähe von London, die angeblich aus dem Holz der Mayflower gebaut ist; aber da diese Scheune unter Denkmalschutz steht, mußte man das Projekt aufgeben. Seit dem 20. April kämpft sich die Mayflower II nun durch die Wogen des Atlantik. Die 31 Mann an Bord unter dem (…)

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Allgemeines“ vom 29.05.1957 unter dem Titel "Die Mayflower segelt wieder – Erinnerung an die Pilgerväter". Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.

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