"Ja, ich will" – Heiratsboom in den Vereinigten Staaten

1959 hatte die Anzahl der Ehepaare einen Höchststand in den Vereinigten Staaten erreicht. Woher der Trend kommt? Sowohl die gestiegene Lebenserwartung der Amerikaner als auch die positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen scheinen eine Rolle zu spielen. Lesen Sie mehr darüber, warum Jung bis Alt das Standesamt aufsuchen.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Ein Artikel von John Kerigan

Das Institute of Life Insurance, ein amerikanisches Institut für Bevölkerungsstatistik, hat kürzlich eine bemerkenswerte Feststellung getroffen: Die Zahl der amerikanischen Familien ist seit dem Jahre 1940 um rund 35 Prozent angestiegen – das ist eine größere Zuwachsrate, als sie dem Ansteigen der Gesamtbevölkerung durch Einwanderung und Geburtenüberschuß entsprechend zu erwarten war. Der Grund dafür ist vor allem in dem frühen Heiraten und der verlängerten Lebenserwartung zu suchen. Das durchschnittliche Lebensalter in den Vereinigten Staaten ist in den letzten 20 Jahren so stark angestiegen, daß immer mehr Eheleute goldene Hochzeit feiern können. Die Gesellschaftsspalten der Zeitungen sind ausgefüllt mit Photos von Jubilaren inmitten einer Schar von Kindern, Enkeln und Urenkeln. Außerdem berichtet die Statistik, daß Verheiratete länger leben als Ledige.

Die Ehen bestehen länger. Sie fangen früher an und hören später auf. Es wird jung geheiratet. Wie in den meisten Industrieländern mit einer gesunden Wirtschaft macht sich auch in den Vereinigten Staaten ein unverkennbarer Trend zu frühzeitigen Eheschließung bemerkbar. Die amerikanische Braut ist im Durchschnitt 20 Jahre alt gegenüber 22 vor zwanzig Jahren und ihr Verlobter 23 gegenüber 24 im Jahre 1940. Noch auffälliger wird diese Neigung zur Verehelichung in jungen Jahren, wenn man bedenkt, daß der „internationale Durchschnitt“ für die Frau bei 24, für den Mann bei 27 Jahren liegt. Amerikaner heiraten heute also in der Regel vier Jahre früher als Angehörige anderer Nationen.
Woher kommt nun dieser Ansturm junger Menschen auf Standesamt und Altar? Ein wichtiger Grund dürfte in der sicheren wirtschaftlichen Lage und in den allgemein optimistisch beurteilten Zukunftsaussichten liegen.
Fast jedes junge Ehepaar in den Vereinigten Staaten ist heute in der Lage, sich sofort eine eigene Wohnung anzuschaffen. Es ist nicht darauf angewiesen, bei Verwandten zu wohnen.
Die jüngsten Ziffern zeigen, daß nur insgesamt 3 Prozent der Verheirateten in den USA nicht in einer eigenen Wohnung leben, und man hat Grund zu der Annahme, daß es sich bei diesen 3 Prozent um Studierende und Schüler handelt. Die Heiratslust der Teenager hat Eltern, Lehrern und Soziologen bereits Anlaß zur Besorgnis gegeben.
Aber obwohl mancher der Jungen zweifellos die Ehe als willkommene Flucht aus der Kontrolle des Elternhauses betrachtet, treten die Reiferen und Verantwortungsbewußteren in dem vollen Bewußtsein in den Ehestand, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Es scheint sich die Ansicht zu verbreiten, die kürzlich ein junges Ehepaar vertrat, das im Alter von 18 bzw. 17 Jahren geheiratet hat und nun, nach fünfjähriger, glücklicher Ehe, drei Kinder besitzt: „So können wir viel mehr Jahre miteinander leben, und unsere Kinder haben junge Eltern.“

Vor dem zweiten Weltkrieg waren verheiratete Studenten und Studentinnen eine Seltenheit. Heute sind allein unter den jüngeren und mittleren Semestern nicht weniger als 29 Prozent der männlichen und 10 Prozent der weiblichen Hochschulbesucher verheiratet. Wenn man die oberen Semester und die Assistenten an den Instituten hinzurechnet, kommt man sogar auf 41 bzw. 18 Prozent. Dabei geschieht es nicht selten, daß die Frau berufstätig ist, um mit ihrem Einkommen das Studium des Mannes mitzufinanzieren.
Aber auch die Wiederverheiratung Verwitweter hat in den letzten 20 Jahren an Bedeutung gewonnen, und niemand mehr findet es lächerlich, wenn alte Menschen noch einmal heiraten. Über 12 Prozent aller Witwer, die wieder eine Ehe schließen, sind heute über 70 Jahre alt.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Allgemeines“ vom 31.07.1959 unter dem Titel "Ehen dauern länger als früher – Teenager und Greise auf dem amerikanischen Standesamt" . Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie: „Eine Frau regiert 75 000 Amerikaner“ oder „Fahrbares Isotopenlabor für Colleges“, klicken Sie bitte hier.

"Ja, ich will" – Heiratsboom in den Vereinigten Staaten