Internationales Großprojekt "GATE"

4000 Wissenschaftler aus 72 Länder kommen zusammen, um gemeinsam eine Mammutexpedition "in die Wetterküche der Erde" zu bestreiten. Ziel ist es, Wolken- und Wetterfrontbildung durch die Auswertung der Daten besser verstehen zu können. Längerfristige Wetterberichte wären fortan möglich. Lesen Sie mehr über das 1974 gestartete Projekt "GATE" im Amerikadienst.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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In einer Mammutexpedition ohne Beispiel werden 4 000 Wissenschaftler von 72 Ländern und Territorien 101 Tage lang – vom 15. Juni bis 23. September 1974 – etwa ein Drittel der „Wetterküche der Erde“ sondieren. Gemeint ist damit ein 52 Millionen qkm großes Land – und Seegebiet in den Tropen, das sich vom östlichen Pazifik über Lateinamerika, den Atlantik und Afrika bis zum Westteil des Indischen Ozeans erstreckt. Von ca. 1 000 Landstationen, 38 Forschungsschiffen und 13 Flugzeugen aus, mit Hilfe von 65 verankerten Meßbojen, dazu Ballon- und Raketensonden sowie sechs verschiedenen Typen von Erdsatelliten will man in den Gürtel zwischen 10 Grad Süd und 20 Grad Nord umfassende geophysikalische Beobachtungen machen. Aufgrund der Auswertung dieser Daten, die 1977 abgeschlossen werden soll, hofft man zu einem besseren Verständnis vor allem der Prozesse der Wolken- und Wetterfrontenbildung in den Tropen und damit von Faktoren zu kommen, die das Wetter in den gemäßigten Zonen erheblich beeinflussen. Solche Kenntnisse sind die Voraussetzung für genauere und längerfristige Wettervorhersagen in unseren Breiten.
Gemeinsam mit dem Internationalen Rat Wissenschaftlicher Vereinigungen (ICSU) führt die Meteorologische Organisation der Vereinten Nationen (WMO) ein weltweites atmosphärisches Forschungsprogramm (GARP – Global Atmospheric Research Program) durch, in dessen Rahmen das bevorstehende Unternehmen GATE (GARP Atlantic Tropical Experiment) das erste Großprojekt darstellt.
Das zweite Projekt, das für Ende der siebziger Jahre vorgesehen ist, wird Beobachtungen rund um den Globus umfassen.
Zwölf der GATE-Forschungsschiffe kommen aus der Sowjetunion, neun aus den Vereinigten Staaten, je vier aus Großbritannien und Frankreich, weitere aus der Bundesrepublik, Brasilien, der DDR, Kanada, Mexiko und den Niederlanden. Allein die Hälfte der Schiffe wird innerhalb einer 500 000 qkm großen sechseckigen Fläche im Ostatlantik, ca. 1 000 km südwestlich von Dakar vor der afrikanischen Küste postiert. Sie sollen mit Hochatmosphärensonden, Radar, Ballonsonden und Bordinstrumenten Wind, Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit, Niederschläge, Sonnen- und Infrarotstrahlung in verschiedenen Höhen sowie Wassertemperaturen an der Oberfläche messen. Außerdem werden Wassertemperaturen in größerer Tiefe, Salzgehalt des Wassers und Strömungen registriert. Die übrigen Schiffe sind mit erheblich mehr Abstand voneinander (480 bis 960 km) über den ganzen tropischen Atlantik verteilt.
Die 13 Forschungsflugzeuge aus fünf Ländern, die in Flughöhen zwischen 100 m und 10 000 m regelmäßig Luftproben und aus genau definierten Wolkenzonen Nebelproben nahmen und zahlreiche Messungen durchführen, werden hauptsächlich über dem Ostatlantik operieren. In diesem Raum soll der Energieaustausch zwischen Atmosphäre und Wasser besonders intensiv untersucht werden. Schiffe und Flugzeuge sowie Satelliten, die die Erde auf polaren, verschieden stark zum Äquator geneigten oder sogenannten erdsynchronen Bahnen umkreisen, registrieren bei Tag und Nacht physikalische Phänomene von der äußeren Atmosphäre bis in ca. 1 500 m Meerestiefe. Die USA setzen dazu neben ihrem jüngsten, Mitte Mai 1974 gestarteten Meteorologie-Satelliten SMS-1 den bewährten Anwendungssatelliten ATS-3 (gestartet im November 1967), ferner zwei Satelliten der NOAA (Bundesamt Meeres- und Atmosphärenforschung), den Wettersatelliten NIMBUS 5 und militärische Meteorologie-Satelliten ein, die Sowjetunion Satelliten ihrer METEOR-Serie.
Hauptzweck des Unternehmens ist es, so viele Beobachtungsdaten aus den verschiedenen Beobachtungsebenen zu sammeln, daß die Wissenschaftler ein umfassendes Bild von den tropischen Wetterphänomenen bekommen, sie in mathematischen Größen beschreiben und damit verbesserte Modelle für die Computer ausarbeiten können, die bei der Wettervorhersage eingesetzt werden. Die bisher existierenden Modelle und mathematischen Gleichungen gründen sich fast ausschließlich auf die gründlichen Untersuchungen der Atmosphäre in den mittleren Breiten. Sie enthalten aber noch zu viele unbekannte Größen – schon angesichts der Tatsache, daß ja die Tropen es sind, die die Hälfte der gesamten auf die Erde auftreffenden Sonnenenergie erhalten. Sie sind die einzige Region, die pro Tag mehr Energie aufnimmt als sie in den Weltraum abstrahlt. Ein großer Teil der Sonnenenergie, die letztlich die Zirkulation in der Erdatmosphäre in Gang hält, wird zunächst einmal in den tropischen Meeren gespeichert. Das Wasser gibt sie dann an die Luft weiter, wo sie mit den sich bildenden Wolken in immer größere Höhen transportiert und auf immer weitere Regionen der Nord- und Südhalbkugel verteilt wird. Diese Prozesse beeinflussen letzten Endes die Wettervorhersage auf der ganzen Erde – aber von den Größenordnungen und Einzelfaktoren an der „Quelle“, in den Tropen, weiß man einfach noch zu wenig.
Alle Meldungen, auch die der Landstationen in Lateinamerika und Afrika, welche als normale Wetterwarten fungieren und unter anderem die Niederschlagsmengen messen, werden in der GATE-Zentrale in Dakar (Afrika) gesammelt und an die Datenverarbeitungszentren in Washington und Moskau weitergegeben. Wissenschaftlicher Leiter des ganzen Unternehmens ist Dr. Joachim Paul Kuettner (64). Der aus Breslau gebürtige Deutschamerikaner war zuvor für die NOAA tätig und hatte maßgeblichen Anteil am Aufbau des amerikanischen Wettersatelliten-Systems.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 05.06.1974 unter dem Titel "Expedition in die Wetterküche der Erde – GATE – internationales Großprojekt der Forschung". Für weitere Artikel dieser Ausgabe, wie: „Nixon drängt auf rasche Verabschiedung des neuen Handelsgesetzes“, oder „Amerikanische Stellungnahme zu chemischen Waffen und Mininukes“, klicken Sie bitte hier.

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