Dr. Braham und der Traum von künstlich hergestelltem Regen

Wasser ist Leben, aber zu viel Wasser kann schnell schädlich werden. Deshalb träumte die Wissenschaft in den 50er-Jahren davon, die Niederschlagsmenge kontrollieren zu können. Lesen Sie über den Versuch des amerikanischen Forschers Dr. Braham, der mithilfe von Reaktorabdämpfen künstlichen Regen erzeugen will.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Lemont (Illinois) – Wissenschaftler der Universität Chicago haben die mit Jodsilber-Partikeln angereicherten Abdämpfe des Siedewasser-Versuchsreaktors (EBWR) des Argonne-Laboratoriums bei Lemont (Illinois) für Experimente zur Auslösung künstlichen Regens benutzt und damit beachtliche Anfangserfolge erzielt.
Dr. Roscoe R. Braham, a.o. Professor der Meteorologie an der Universität Chicago, erklärte als Sprecher der an den Experimenten beteiligten Forscher: „Meines Wissens haben wir als erste den Versuch unternommen, einen Atomreaktor zur Herbeiführung von künstlichem Regen heranzuziehen.“ Außer Dr. Braham waren an den Versuchen die beiden Meteorologen L. Randall Koenig und Thomas E. Hoffr vom Laboratorium für Wolkenphysik des meteorologischen Instituts der Universität Chicago und Harry L. Moses, Leiter des meteorologischen Arbeitsstabes der Abteilung Strahlenphysik im Argonne-Laboratorium, beteiligt.


„Ziel unserer Arbeit ist es“, führte Dr. Braham weiter aus, „Möglichkeiten zur Kontrolle des Wetters zu finden, die es dem Menschen in Zukunft vielleicht sogar ermöglichen werden, die Niederschlagsmengen in feuchten Gegenden zu verringern und in Dürregebieten zu steigern. Die Brauchbarkeit unseres Verfahrens zur Herbeiführung von künstlichem Regen konnte bisher im Großversuch noch nicht eindeutig bewiesen werden. Der Beweis ist auch nur sehr schwer zu erbringen, da bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes immer irgendwelche natürlichen Eiskristalle in der Atmosphäre vorhanden sind und es bisher nicht möglich war, natürliche Eiskristalle von den eventuell durch eine Ausstreuung von Partikeln entstandenen Eiskristallen zu unterscheiden. Wir haben aber in Laboratoriumsversuchen den Nachweis erbracht, daß sich Regen durch Jodsilberkristalle auslösen läßt, und wir hoffen, daß wir die praktische Durchführbarkeit dieses Verfahrens in naher Zukunft unter Beweis stellen können.“
Dr. Braham berichtete, daß noch im Verlauf dieses Sommers weitere Versuche von hochfliegenden Flugzeugen aus unternommen werden sollen. Abdämpfe von Kernreaktoren sind bei derartigen Versuchen nur bei Temperaturen von -9,4 ° C und darunter zu gebrauchen. Man hatte im Argonne-Institut einen Jodsilber-Rauchgenerator oberhalb der Plattform des Kühlturms befestigt, aus dem die nichtradioaktiven Abdämpfe austreten. Dabei wurde beobachtet, daß sich in den Abdampfschwaden Eiskristalle bildeten und anschließend zur Erde niederregneten.
Mit Hilfe von kunststoffüberzogenen Glasplatten, die in verschiedenen Entfernungen vom Kühlturm in Windrichtung placiert worden waren, wurden die niederregnenden Eiskristalle aufgefangen.
Die Plastikplatten wurden dann in Chicago auf Spuren von Jodsilber im optischen Mittelpunkt der niedergeschlagenen Kristalle untersucht. Damit sollte der Nachweis eines Zusammenhangs zwischen der Ausstreuung von Jodsilberpartikeln und der Eisbildung erbracht werden. Die Proben ließen sich aber nicht so ohne weiteres im Elektronenmikroskop untersuchen, und das Einsetzen wärmeren Wetters machte weitere Großversuche zunächst unmöglich, da die Abdampfschwaden des Kernreaktors zu klein wurden.
Die genannten Experimente stützen sich auf die sogenannte Eiskristalltheorie über das Entstehen natürlichen Regens, die besagt, daß sich Niederschläge zunächst in Form kleiner Eiskristalle in unterkühlten Wolken bilden. Die Kristalle wachsen zu Schneeflocken an, die dann zur Erde sinken und bei warmen Temperaturen zu Regen schmelzen.
Bei allen derzeitigen Versuchen zur künstlichen Herbeiführung von Regen geht man von der Annahme aus, daß das Ausbleiben von Regen auf einen Mangel an den die Eisbildung auslösenden Partikeln zurückzuführen ist. Jodsilber-Kristalle regen die Eisbildung schon bei einer Temperaturen von – 4°C an, was darauf zurückgeführt wird, daß die Gitterkonstante der Jodsilber-Kristalle der natürlichen Eises sehr nahekommt.

Im Verlauf seiner Ausführung erklärte Dr. Braham noch: „Die heute üblichen Verfahren zur Anreicherung von Wolken mit Kristallen beruhen auf der Ausstreuung von Jodsilber-Kristallen mit Hilfe eines Rauchgenerators, der entweder von einer Bodenstation oder vom Flugzeug aus betrieben wird. Man geht dabei von der Annahme aus, daß die winzigen Jodsilber-Partikel vom Wind in die Wolken getragen werden.
Dort werden sie dann früher oder später in Regionen mit einer Temperatur von -4°C oder darunter gelangen und die Bildung von Eiskristallen herbeiführen, die dann an Umfang zunehmen und schließlich als Regen zur Erde fallen.“
Die Verifizierung der Ergebnisse von Großversuchen ist nach Dr. Braham äußerst schwierig. In der Zwischenzeit ist es jedoch gelungen, in Laboratoriumsuntersuchungen Kristalle, die sich um einen Jodsilber-Kern gebildet haben, von Kristallen zu unterscheiden, die irgendein anderes Partikel als Kern haben. Bei diesem Verfahren werden Halogensilber-Partikel mit Photo-Entwickler-Stoffen behandelt.
Die geschilderten Versuche wurden am 10., 12. und 20. Februar dieses Jahres im Argonne-Laboratorium in Lemont durchgeführt.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Allgemeines“ vom 06.06.1958 unter dem Titel "Reaktordämpfe zur künstlichen Herbeiführung von Regen verwendbar?". Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie: „Unterricht via Fernsehschirm“, oder „Die Bedeutung künstlicher Erdsatelliten für die Geodäsie“, klicken Sie bitte hier.

Dr. Braham und der Traum von künstlich hergestelltem Regen