Die Entdeckungsgeschichte der Sojabohne

1910 war die Sojabohne außerhalb des Orients so gut wie unbekannt. 40 Jahre später begann sie allmählich die Welt zu erobern. Heutzutage ist sie aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken: Tofu, Sojamilch, Sojajoghurt, Soja-Schnitzel – Sie wurde maßgeblicher Bestandteil der vegetarischen Ernährung und füllt nun unsere Supermarktregale. Lesen Sie im Amerikadienst von 1950 über die kleine Eiweißbombe, die einst als heilige Frucht beim chinesischen Volk galt.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

Illustrationen

Illustration von Joanna Pawlik 

Washington – In der Welt herrscht Knappheit an Eiweiß und Fetten. Mit der Sojabohne ist uns ein Nahrungsmittel gegeben, das dreimal soviel Eiweiß, zehnmal soviel Fett und dreimal soviel wertvolle Mineralsalze enthält wie Weizen. Ihr Gehalt an Eiweiß, Fetten und Mineralsalzen ist etwa viermal so groß wie der von Mais.
So wie bei den meisten anderen Kulturpflanzen verliert sich auch die Frühgeschichte der Sojabohne im Dunkel ferner Zeiten.
Wir wissen, daß sie eine einjährige Leguminose ist, die aus dem südöstlichen Asien stammt. Aus der alten chinesischen Literatur geht hervor, daß die Sojabohne in größtem Maße kultiviert wurde und bereits Jahrhunderte, bevor schriftliche Aufzeichnungen gemacht wurden, als Nahrungsmittel hohes Ansehen genoß. Der früheste überlieferte Bericht stammt aus dem Jahre 2838 v. Chr. Und findet sich in der MATERIA MEDICA, einer Zusammenstellung chinesischer Pflanzen. In diesem Buch werden mehr als 300 Heilmittel angeführt die sich aus Sojabohnen herstellen lassen. Die Sojabohne war überdies eine der fünf heiligen Früchte (Reis, Weizen, Hirse, Sojabohnen, Gerste), von denen die chinesische Zivilisation abhing; „der kleine verehrungswürdige Gott“ nannten sie die Chinesen.
Durch Jahrhunderte war die Sojabohne in Asien weiter verbreitet als auf irgendeinem anderen Kontinent. Noch vor dem ersten Weltkrieg führte China sowohl im Hektarertrag als in der Gesamtproduktion; an zweiter Stelle folgte die Mandschurei, die gelegentlich sogar das „Land der Sojabohne“ genannt wird.
Außerhalb des Orients aber war die Sojabohne noch vor vierzig Jahren kaum bekannt. In den Vereinigten Staaten stellte sie eine Kuriosität dar, die bestenfalls in botanischen Gärten gezogen wurde. Seither hat die Sojabohne Amerika erobert. Heute sind die Vereinigten Staaten der zweitgrößte Sojabohnenproduzent der Welt, und beinahe die Hälfte der in den USA erzeugten pflanzlichen Öle und 60% des Pflanzeneiweißes werden aus dieser einjährigen Leguminose gewonnen.
Zuchtversuche mit Sojabohnen wurden in nahezu allen Ländern des amerikanischen Kontinents unternommen. Die einzigartige Verbreitung, die die Sojabohne in den USA gefunden hat, ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die Forschung auf diesem Gebiet innerhalb weniger Jahre Fortschritte gemacht hat, die unter normalen Umständen einen Zeitraum von 25 Jahren beansprucht hätten.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Landwirtschaft“ im Mai 1950 unter dem Titel "Der kleine verehrungswürdige Gott – die Sojabohne erobert die Welt". Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie „Zitronen werden angepeilt“ oder „Die landwirtschaftliche Revolution in den U.S.A.“, klicken Sie bitte hier.

Die Entdeckungsgeschichte der Sojabohne