Detroiter Zoo: Ein Wolfspaar auf Reisen

Ein Wolfspaar aus dem Detroiter Zoo wurde Teil des Auswilderungsprojekts zur Rettung der Grauwölfe in den Vereinigten Staaten. Der Wildschutzdienst verfrachte das Pärchen auf einer abgelegenen, verwilderten Insel in der Nordspitze Minnesotas. Doch statt dem Ruf der Wildnis zu folgen, tummelten die beiden sich am liebsten in der Nähe von Touristen und deren Essensresten herum. Lesen Sie mehr über das gescheiterte Projekt in der Amerikadienst Ausgabe "Für die Jugend" erschienen im Oktober 1952.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Detroit – „Der Wolf ändert das Haar – und bleibt wie er war“, heißt ein altes Sprichwort. Und es verhält sich damit wie mit den meisten Volksregeln – es liegt zwar eine tiefe Wahrheit in ihrem Kern, aber sie stimmen nicht immer. In diesem besonderen Falle hat eine kleine Episode, die das amerikanische Bundesamt für Wildschutz erlebte, das Sprichwort Lügen gestraft. Und das kam so:

Der Wildschutzdienst, in dessen weiten Arbeitsbereich auch die Sorge um die Erhaltung im Aussterben begriffener Tiere gehört, hatte sich kürzlich die Aufgabe gestellt, etwas gegen das Aussterben des großen nordamerikanischen Grauwolfes, des sogenannten „timber wolf“, zu unternehmen. Er erwarb zu diesem Zwecke von dem Zoo der Stadt Detroit zwei Paare solcher Grauwölfe und beförderte sie auf eine große Insel im Oberen See, die sich von der Nordspitze Minnesotas bis in das kanadische Gebiet hinein erstreckt. Auf dieser wilden, unbewohnten Insel, auf der sich noch weite Urwälder ausdehnen, setzten sie die Tiere aus, in der Hoffnung, daß die beiden Paare sich nun bald vermehren würden. Da die Insel ein Naturschutzgebiet ist, in dem Grauwölfe nicht gejagt werden dürfen, bestand für die Wölfe in dieser Hinsicht keine Gefahr.
Trotzdem wurden dem Wildschutzdienst gegenüber bald Klagen laut. Nicht von den Wölfen natürlich, aber von den Touristen, die auf der Spudspitze der Insel zu kampieren pflegen, um zu fischen und die unberührte Natur zu genießen. Diese Urlaubs-Insulaner beklagten sich merkwürdigerweise nicht darüber, daß die Wölfe sich wirklich wie Wölfe benehmen und sie bedrohen, sondern vielmehr über die Tatsache, daß diese Tiere die Wildnis völlig ignorierten. Sie schlichen um die Touristenlager herum, plünderten die Abfalleimer, betätigten sich als harmloser Kinderschreck – kurz, sie wollten irgendwie zu den Menschen gehören, wenn auch nur als öffentliches Ärgernis.
Den Wildschutzbeamten blieb also nichts anderes übrig, als die Wölfe wieder einzufangen und das Experiment an anderer Stelle noch einmal zu versuchen. Der geeignetste Ort hierfür schien die undurchdringliche Wildnis im äußersten Norden der gleichen Insel, ein Gebiet, in das kein Mensch sich jemals verirrt. Hier, so dachte man, werden die Wölfe bestimmt den Ruf der Wildnis folgen. Was sonst auch bliebe ihnen hier übrig, als mit den Wölfen zu heulen? Aber da hatte man sich gewaltig verrechnet. Es dauerte nicht lange, und die Wölfe, die keine Wölfe mehr sein wollten, kamen wieder ins Touristenkamp zurückgeschlichen und verhielten sich genau so unwölfisch wie vordem.
Da riß dem Bundesamt für Wildschutz die Geduld. Abermals fing man die Wölfe ein und – transportierte sie sang- und klanglos zurück in ihr Gehege im Detroiter Zoo.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „für die Jugend“, im Oktober 1952 unter dem Titel "Die Wölfe die keine Wölfe mehr sein wollten – ein mißglückter Versuch, Grauwölfe aus dem Zoo wieder in die Wildnis zu schicken". Für weitere Artikel dieser Ausgabe, wie: „Rennwagen aus Schrott“, oder „Der Teufel und Daniel Webster“, klicken Sie bitte hier.

Detroiter Zoo: Ein Wolfspaar auf Reisen