Der "Explorer" – eine Pioniergeschichte

Der 'Explorer' war einst der erste künstliche Erdsatellit der Vereinigten Staaten, der in der Nacht zum 01.02.1958 erstmalig seine Umlaufbahn erreichte. Lesen Sie über die herausragenden Leistungen, die hinter diesem geschichtsträchtigen Ereignis der Raumfahrt stehen.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Washington – „Explorer, der erste künstliche Erdsatellit der Vereinigten Staaten, kreist seit der Nacht zum 1. Februar 1958 in seiner Bahn.“ So meldeten am vergangenen Wochenende in Schlagzeilen die Zeitungen fast der ganzen Welt. Aber wohl die wenigsten, die die Berichte darüber gelesen haben, sind sich der ungeheuren Leistungen bewußt, die hinter diesem sensationellen Unternehmen stehen. Handelt es sich doch im Grunde um nichts weniger als den Versuch von Menschen, die Himmelsmechanik mit technischen Mitteln nachzuahmen.
Die ersten künstlichen Trabanten unserer Erde fungieren als Instrumente der Wissenschaft. Durch ihre mittels Funk automatisch an Bodenstationen gesendeten Messungen von den sich laufend verändernden Innen- und Oberflächentemperaturen, der kosmischen Strahlung, der Dichte von Meteoritenschwärmen und der erodierenden Wirkung von meteoritischem Staub an der Außenfläche des Meß-Satelliten geben sie gewissermaßen einen Zustandsbericht aus den Bereichen am Rande der Erdatmosphäre, an der Schwelle zum Weltenraum. Und die von ihnen gelieferten Meßwerte lassen, so seltsam dies zunächst klingen mag, sogar wichtige Rückschlüsse auf die Beschaffenheit unserer Erde selbst zu, die uns auch heute noch mancherlei Rätsel aufgibt.

Es war ein gewaltiger Triumph für Wernher von Braun, Dr. William Pickering und Dr. James van Allen, die Leiter der an dem Unternehmen EXLPORER beteiligten Arbeitsgruppen, und es war nur natürlich, daß das Ereignis in den Vereinigten Staaten und in allen befreundeten Ländern gebührend gewürdigt wurde. Wie jedoch Wernher von Braun, dessen Team die eigentliche Trägerrakete JUPITER-C entwickelt hat, nach dem gelungenen Start in einem Interview ausdrücklich feststellte, ist dieser Erfolg durchaus nicht nur das Verdienst der jetzt immer wieder genannten Wissenschaftler und Konstrukteure, sondern auch all der ungenannten und unbekannten Techniker, Handwerker und Soldaten, die – manchmal in der Stärke von mehreren Tausend Mann – zu dieser Gruppe gehörten; praktisch waren das Können, die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit jedes einzelnen für den Ausgang des Unternehmens entscheidend.
Die Umlaufbahn und die Arbeitsweise der Instrumentenausrüstung des EXPLORER entsprechen vollkommen den Erwartungen und Berechnungen. Und deshalb ist anzunehmen, daß schon durch diesen ersten amerikanischen Erdsatelliten die wissenschaftliche Ausbeute des Internationalen Geophysikalischen Jahres und damit die wissenschaftlichen Erkenntnisse über geophysikalische Zusammenhänge und gewisse Vorgänge im äußeren Raum bereichert werden.
Offensichtlich werden durch den beim Start des ersten amerikanischen Satelliten eingeschlagenen Weg, mit der ersten Stufe der Trägerrakete den künstlichen Erdtrabanten bis in die maximale Höhe der Startbahn zu bringen und ihm durch die übrigen Stufen nur noch die für die Überwindung der Erdanziehungskraft erforderliche Geschwindigkeit zu geben, manche Schwierigkeiten vermieden. Die Startstufe, eine modifizierte Redstone mit besonders großen Tanks, die durch Verwendung einer neuartigen Kombination flüssigen Treibstoffs einen Schub von 35 412 Kilogramm entwickelte, war nach 145 Sekunden Flugzeit in 340 Kilometer Höhe ausgebrannt. In dieser Zeit hatte sich die Zahl der Eigenumdrehungen der oberen Stufen, die statt einer aktiven Steuerung nur eine Drallstabilisierung besitzen, von 460 Rotationen pro Minute unmittelbar vor dem Abschuß auf 760 Umdrehungen erhöht.

Beim Brennschluß der zweiten Stufe war der höchste Punkt der Startbahn erreicht, und die Rakete bewegte sich nun in horizontalem Flug unter ständiger Steigerung ihrer Geschwindigkeit in weiteren 400 Sekunden bis zum Punkt ihrer größten Erdferne. Auf diesem Bahnabschnitt lösten sich die zweite und dritte Stufe nach dem Ausbrennen ab und fielen zur Erde zurück. Die vierte Stufe der JUPITER-C dagegen, die in der vorderen Hälfte die zahlreichen Meßinstrumente, die beiden Sender sowie die Antennen mitführt, wurde durch ihren Treibsatz noch so beschleunigt, daß sie im Gleichgewicht zwischen Erdanziehungskraft und Fliehkraft steht. Dieses Gleichgewicht vermag höchstens durch die Einwirkung von Meteoren oder die Bremswirkung von Luftmolekülen gestört zu werden, was mit einer Verringerung der Geschwindigkeit und einem allmählichen Absinken in immer tiefere atmosphärische Schichten gleichbedeutend wäre und irgendwann auch zu erwarten ist.
Obgleich der Teil des Weltenraumes, der dem Menschen durch die Entsendung von künstlichen Erdtrabanten und – vielleicht schon in absehbarer Zeit – von Weltraumschiffen zugänglich wird, außerordentlich winzig ist im Vergleich zu den Räumen, mit denen der Astrophysiker „arbeitet“; können wir mit Recht sagen, daß der Mensch noch nie in seiner Geschichte sich so erregenden Zukunftsaufgaben und Zukunftsmöglichkeiten gegenüber gesehen hat wie heute. Der Vorhang, der bisher seine Welt von der Welt da draußen trennte, beginnt sich langsam zu heben.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 05.02.1958 unter dem Titel "Reportage aus dem Weltraum – Erdsatelliten als Mittler neuen Wissens". Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie: „Operation Moonwatch angelaufen“, oder „US-Luftwaffe entwickelt Schutzanzug für Weltraumfahrer“, klicken Sie bitte hier.

Der "Explorer" – eine Pioniergeschichte