Cowboys der 50er-Jahre

Im Wilden Westen scheint die Zeit still zu stehen: So lange es hier Rinderherden gibt, wird es wohl auch Cowboys geben, deren Arbeit sich trotz technologischen Fortschritts kaum verändert hat. Rufus Striling nimmt Sie mit auf eine Reise in den "Alten Westen" und liefert Ihnen Einblicke in das geschäftige Treiben des "Round Ups" um 1950.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

Illustrationen

Ein Artikel von Rufus Striling

Von Kanada bis Mexiko und weit über die Grenzen dieser beiden Staaten hinaus findet alljährlich im Frühjahr und Herbst das Round-up statt, bei dem man die Rinder auf den großen Viehfarmen zusammentreibt, um sie zu zeichnen, zu impfen und das Schlachtvieh auszusondern. Das Round-up ist die große Zeit des Cowboys, seit Rinder die Täler und Hügel der Staaten im "Alten Westen" bevölkern. So lange es Rinderherden in den öden und hügeligen Gebieten Amerikas gibt, so lange wird es auch Cowboys geben, die sie bewachen und betreuen, die kranker Kühe pflegen und an den kilometerlangen Einzäunungen der modernen Ranchen entlangreiten. Der Cowboy von heute ist genau so farbenprächtig gekleidet und genau so individualistisch wie sein Großvater, wenn er heute auch nicht mehr prahlerisch seinen sechsschüssigen Revolver lädt, wie in den Cowboygeschichten und Wildwestfilmen.
Niemals aber ist der Cowboy großartiger als beim Round-up. Der Round-up-Tag beginnt für den Cowboy lange vor Tagesanbruch. Vor Sonnenaufgang kriecht er aus seiner warmen Schlafstatt und rollt sich die erste Zigarette des arbeitsreichen Tages. Als erstes setzt er seinen Hut auf, dann erst folgen die übrigen Kleidungsstücke, zuletzt werden die hochhackigen Reitstiefel angezogen. Nach einem kräftigen Frühstück geht es zum "Roßknecht", der für jeden Reiter eine "Remuda" bereit hält. Eine "Remuda" besteht gewöhnlich aus sechs oder sieben Pferden, die der Cowboy während eines Round-up-Tages reitet, denn die Arbeit ist nicht nur für den Reiter sehr anstrengend, auch die Pferde geben dabei ihr Letztes her.

Jedes Round-up hat seinen ''Boss", der die Lebensgewohnheiten der Rinder und das Gelände genau kennt und über die Wasserstellen und die Gatter in den weiten Umzäunungen Bescheid weiß. Unter seiner Leitung kreisen die Cowboys das Gelände, in dem sich die Herden aufhalten und das an diesem Tage bearbeitet werden soll, ein, daher der Name „Round-up“, d.h. Einkreisen. An jedem strategisch wichtigen Punkt wird ein Reiter aufgestellt, bis der Kreis geschlossen ist. Mit dieser Arbeit muss schon in den frühen Morgenstunden begonnen werden, denn sobald die Mittagshitze einsetzt, ziehen sich die Tiere zwischen die schattigen Bäume zurück. Nun folgt das langsame Zusammentreiben der Herden und nur wenn ein Tier versucht, in den Busch auszubrechen, geben die Cowboys ihren Pferden die Sporen. Denn würden sie die Rinder zur Eile antreiben, so würden die fetten Tiere an Gewicht verlieren und der Besitzer Schaden erleiden. Um die Mittagszeit ist der Platz, auf dem die Herden zusammengetrieben werden, schwarz vom aufgewirbelten Staub und von den dunklen Leibern der Rinder, die verstört durcheinander laufen. Sobald das Zusammentreiben beendet ist, reihen die Cowboys ihre Schnitt- und Fangpferde und nur von einem kurzen, aber kräftigen Mittagessen unterbrochen, geht die Arbeit weiter. Feuer werden angezündet, die Brandeisen erhitzt und das Sattelzeug noch einmal überprüft.
Der Boss des Round-up hat schon seine Mannschaften zusammengestellt, die geübten Rinderhirten, die mitten in die Herden hineinreiten, um die Kälber abzusondern, und die Männer die diese dann von der Seite her angehen, sodass die Tiere zu Boden geworfen, gebrannt, gekennzeichnet, kastriert und geimpft werden können. Die Arbeit dauert mehrere Stunden, bei würgendem Staub, brennender Hitze und dem beißenden Geruch versengter Haare. In der zusammengedrängten Herde sondern die Lassofänger in harter Arbeit die Muttertiere mit den Kälbern ab. Ein Lasso schwingt auf und und wird um den Hals des Kalbes oder, wie es die Fachleute unter den Cowboys machen, um die Hinterbeine zusammengezogen. Beim Absondern und Einfangen zeigen die „Schnitt- und Fangpferde“ ihr großes Können. Es gibt viele Geschichten über diese klugen, gut dressierten Pferde und nur wenige davon sind übertrieben. Sie sind [...] blitzschnell im Wenden und überwinden jedes Hindernis im Bruchteil einer Sekunde. Während einige Cowboys in einem wahren Eiltempo die Rinder mit dem Brandeisen zeichnen, teilen andere nach den Weisungen des Boss die Tiere danach ein, ob sie verkauft oder behalten werden sollen, und treiben jede Gruppe auf die für sie vorgesehenen Weiden.

Mit dem Einbruch der Nacht endet die Arbeit für alle, es sei denn, daß noch ein Teil der Herde am nächsten Tag abgefertigt werden muß. In diesem Fall müssen einige Männer wachen und die Herden ständig umkreisen, um zu verhindern, daß sie in den Busch ausbrechen. Die übrigen aber breiten ihre Decken aus und legen sich zur Ruhe. Nun wird die letzte Zigarette geraucht, noch ein wenig „Cowboygarn“ gesponnen und ein Lied auf der Gitarre gespielt. Aber der Abend für die Cowboys ist nicht lang. Wind, Sonne und schwere Arbeit haben sie müde gemacht, und so verstummt einer nach dem anderen. Die Nacht mit ihren Millionen Sternen wacht über Mensch und Tier. Irgendwo in der Dunkelheit wiehert ein Pferd, eine Kuh brummt auf und von fernher tönt das Heulen eines Steppenwolfs.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst „Landwirtschaft“ vom 12.01.1950 unter dem Titel "Round Up – die große Zeit des Cowboys". Für weitere Artikel dieser Ausgabe wie: "Hygienische Schweinehaltung", oder "Der Gärtner und die Atomphysik", klicken Sie bitte hier.

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