Afghanistan 1979

Mit dem Einmarsch sowjetischer Truppen 1979 riefen islamistische Guerillakämpfer zum Dschihad auf. Der damit ausbrechende Bürgerkrieg verwandelte sich in einen weiteren Stellvertreterkrieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Lesen Sie über die Gedanken des ehemaligen Botschafters in Afghanistan, – Robert G. Neumann, zu Beginn des Konflikts um 1981.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

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Robert G. Neumann war von 1966 bis 1973 amerikanischer Botschafter in Afghanistan und von 1973 bis 1976 Botschafter in Marokko. Um 1981 leitete er die Übergangsmannschaft des designierten Präsidenten Reagan im Außenministerium und ist Zweiter Vorsitzender des Zentrums für strategische und internationale Studien an der Georgetown-Universität in Washington.

„Eine müde Welt ist der Tragödien, der Hungersnöte und der Leiden überdrüssig, denn von all dem scheint es mehr zu geben, als der menschliche Verstand noch zu fassen vermag. Und doch kämpft das afghanische Volk ein Jahr nach der russischen Invasion seines Landes noch immer und lehnt seine Unterwerfung ab. Einer solchen Unterwerfung des Landes sind die Invasoren auch heute nicht näher als vor einem Jahr. Afghanistan weigert sich, zu verschwinden.
Wie ist das geschehen? Was können wir daraus lernen? Afghanistan ist eins der ärmsten Länder dieser Welt und hält mit am hartnäckigsten an seinen Eigenarten fest. Aus beiden Bedingungen ergeben sich seine Schwächen und seine Stärken.
Im 18. Jahrhundert befreiten sich die Paschtunen (Pathanen) von der persischen Oberherrschaft und gründeten unter Achmed Schah das "Land der Afghanen" – Afghanistan. Allerdings galten lange Zeit nur die Paschtunen als die eigentlichen "Afghanen". Andere, wie etwa die Tadschiken, die Usbeken, die Hasaras, die Beludschen, die Turkmenen usw. wurden als geringer angesehen. Erst allmählich wurde größere Gleichheit erreicht – vor allem in der afghanischen Armee, ein bekanntes Phänomen in unterentwickelten Ländern, wo die Streitkräfte größere soziale Mobilität und mehr Gelegenheit zum Aufstieg aus ärmlichen Verhältnissen ermöglichen.

Wahrscheinlich wurde dieses zunehmende Maß an Gleichheit noch gefördert durch die Aufspaltung der Paschtunen-Gesellschaft in eine Vielzahl von Stämmen, wodurch eher der Autorität auf Stammes- oder Unterstammesebene gefolgt und diese anerkannt wurde als die nationale, über allem aber stand die einigende Kraft des Islam.
In einem so mannigfaltigen und zugleich armen Land war nur sehr wenig Fortschritt der Art, wie ihn der Westen kennt, möglich. Die Menschen dort waren arm, gewiß, aber frei und stolz. Es gab Ungleichheit, aber nicht in dem gewaltigen Ausmaß wie etwa im Iran. Die meisten Kleinbauern waren Eigner, nicht Pächter, und auch die meisten Großbauern bearbeiteten ihr Land, sie waren keine Großgrundbesitzer, die nicht auf ihren Gütern lebten.
Das afghanische Volk, wenngleich arm – gemessen an westlichen Maßstäben, fand in diesem ausgeweiteten Familiensystem, das sich durch die Zeiten bewährte, ein bemerkenswertes Maß an Sicherheit und widersetzte sich einem zu raschen Wandel. Einmal war diese Tatsache von einem afghanischen Herrscher, König Amanullah, mißachtet worden: Ein Aufruhr der Stämme und der Widerstand des Volkes gegen übereilte Veränderungen stürzten ihn. Dies geschah im Jahr 1929. Die nachfolgenden Herrscher waren vorsichtiger, begnügten sich mit nur schrittweisen Reformen und ließen der afghanischen Gesellschaft ihre eigenen Wertvorstellungen, sowie die Stämme in der Leitung ihrer eigenen örtlichen Führung. Gleichzeitig spielten diese Regenten und ihre Regierungen in der Arena der größeren Mächte eine ausgezeichnete Rolle, erst gegenüber dem russischen Kaiserreich und Großbritannien, dann gegenüber der Sowjetunion und Amerika, wobei sie den einen gegen den anderen ausspielten und für sich selbst ein Höchstmaß an Unabhängigkeit erhielten. Rein instinktiv begriffen Generationen afghanischer Führer, daß gerade ihre Armut ihre Unabhängigkeit erleichterte, erweckte sie doch nicht den Neid und die Revanchegelüste der Mächtigen. Sogar die Eisenbahn, wichtigstes Mittel des Fortschritts im 19. und frühen 20. Jahrhundert, wurde absichtlich von Afghanistan ferngehalten, wurde sie doch als der Keil betrachtet, mit dem der imperialistische Einfall – sei es aus dem Norden (Rußland) oder dem Süden (dem britischen Indien) – bewerkstelligt werden konnte.

Mit dem Rückzug Großbritanniens aus Indien im Jahr 1947 wurde die Sowjetunion der dominierende Nachbar. Amerika war zusammen mit anderen westlichen Staaten großzügig genug, um Afghanistan dabei zu helfen, das Gleichgewicht gegen den nördlichen Nachbarn zu einem gewissen Grad zu halten, aber die sowjetische Hilfe war vorherrschend. Seit 1959 kam sämtliche militärische Ausrüstung aus der Sowjetunion und die sowjetische Wirtschafts- und Technikhilfe war zweimal höher als die aus den Vereinigten Staaten. Alle afghanischen Regierungen akzeptieren diese Tatsache, und nichts geschah, um auch nur im geringsten gegen die sowjetischen Interessen zu verstoßen. Diese ausgewogene Situation schien alle interessierten Parteien für lange Zeit zu befriedigen. Warum sollte Rußland sich diesem armen, von anderen Ländern umschlossenen, unterentwickelten Staat mit nur wenigen Rohstoffen und unzugänglichen Bodenschätzen greifen wollen, solange die sowjetischen Interessen geschützt waren? Doch diese herkömmliche Einstellung wurde 1973 erschüttert, als der Neffe des Königs, Prinz Mohammed Daoud, die Monarchie in einem Staatsstreich stürzte, der durch mehrere linksgerichtete Elemente unterstützt wurde. Daoud war nie populär und obgleich seine Herrschaft tyrannisch war, konnte durch sie doch niemals der Einfluß der linksgerichteten Offiziere beherrscht werden. Daß Daouds untaugliches Regime einem Staatsstreich von links die Tür öffnete, kann nicht bezweifelt werden.
Weniger klar ist, warum die Sowjets bereit waren, ein wohlwollend neutrales Regime im Stich zu lassen, das ihre Interessen schützte. Vielleicht war es das Schauspiel amerikanischer Schwäche und Unentschlossenheit, das sie in Versuchung führte, Vorteile zu suchen, wo es nur immer ging (...)

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 07.01.1981 unter dem Titel "Afghanistan – Ein Jahr nach der sowjetischen Invasion". Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken sie bitte hier.

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