1987: Ein Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland

2019 wurde der Intermediate Range Nuclear Forces Treaty´, kurz INF-Vertrag, zwischen Russland und den Vereinigten Staaten gekündigt, 1987 berichtet Stephen J. Ledogar bei einer Senatsanhörung über den Status quo des Abkommens. Lesen Sie die Aussagen des Senators in folgendem Amerikadienst-Artikel.

(Anmerkung: Orthographie und Interpunktion sind dem Originaltext nachempfunden. Der Wortlaut des vorliegenden Textes wurde originalgetreu dem Artikel des Amerikadienstes entnommen.)

Illustrationen

Washington – Senator Stephen J. Ledogar erklärte bei einer Senatsanhörung am 16. September, ein amerikanisch-sowjetisches Abkommen zur weltweiten Abschaffung aller Mittelstreckenwaffen würde „in keinem Fall“ die Fähigkeit der NATO ausschalten, gegenüber einer sowjetischen Aggression eine flexible Reaktion aufrechtzuerhalten.

Ledogar ging auf die gerade zwischen den Außenministern Shultz und Schewardnadse in Washington über INF abgehaltenen Gespräche ein und erklärte, mit solch einem Abkommen würden auf sowjetischer Seite etwa 1 400 Gefechtsköpfe und auf Seiten der NATO etwa 572 der bereits stationierten Gefechtsköpfe abgeschafft. Im Bereich der taktischen Nuklearwaffen befänden sich im Arsenal der NATO immer noch etwa 4 600 Gefechtsköpfe.
Ledogar, Stellvertretender Ständiger Vertreter und Gesandter an der amerikanischen Vertretung bei der NATO, ist von Präsident Reagan zum Botschafter bei den Gesprächen über konventionelle Waffen in Europa und zum amerikanischen Vertreter bei den in Wien stattfindenden Gesprächen über beiderseitige und ausgewogene Truppenverminderungen in Mitteleuropa (MBFR) nominiert worden.
Bei der Anhörung anläßlich seiner Bestätigung im Auswärtigen Ausschuß des Senats erklärte Ledogar, die neu aufgenommenen Gespräche über konventionelle Waffen befänden sich in ihrer Vorbereitungsphase und würden innerhalb des durch die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) gesteckten Rahmens nach der von den NATO-Außenministern aufgestellten Vorgabe stattfinden, gleichzeitig jedoch „unabhängig und autonom“ sein.
Ledogars Prognosen zufolge wird „die Zustimmung zu neuen Gesprächen möglicherweise etwa gleichzeitig mit dem Abschluß der gegenwärtig stattfindenden Wiener KSZE-Revisionskonferenz erfolgen“.
Der Vorsitzende des Komitees, Senator Claiborne Pell, fragte Ledogar, wie er sich die Überlegenheit des Warschauer Paktes bei den konventionellen Waffen erkläre, wenn die Bevölkerung der NATO-Staaten, die Vereinigten Staaten ausgenommen, die der Länder des Warschauer Paktes einschließlich der Sowjetunion, übertrifft und wie er sich erkläre, daß das Bruttosozialprodukt der NATO-Staaten, außer den Vereinigten Staaten, doppelt so hoch ist wie das der Länder der Sowjetunion und des Warschauer Paktes.
Ledogar antwortete darauf, „der Unterschied liegt in den freien und totalitären Gesellschaften, weil totalitäre Gesellschaftsformen ihre Neigung demonstriert haben, einen außergewöhnlichen Anteil ihres nationalen Wohlstandes für die Verteidigung und für militärische Zwecke aufzuwenden“.
„Der Warschauer Pakt produziert in den meisten Waffenkategorien mehr als wir, weil er den Vorteil zentralistisch organisierter Industriezweige hat. Trotzdem beginnt die NATO, Fortschritte bei diesem Problem der Rationalisierung unserer eigenen Beschaffungsprogramme zu erzielen, aber ich sehe, offen gesagt, kaum Aussichten, daß die NATO-Staaten bei ihren Verteidigungsausgaben einen bedeutenden Schritt nach vorn machen werden.“
Pell erwog die Möglichkeit, ob der Abzug von 100 000 amerikanischen Soldaten der „NATO Auftrieb geben könne“.
Ledogar antwortete darauf, „Ich bin nicht sicher, daß dies ein Antriebsmittel [ist]. Man könnte argumentieren, daß die NATO dadurch entmutigt, zur Verzweiflung getrieben und dann zu Entgegenkommen veranlaßt wird.
Meiner Erfahrung nach ist dies keine produktive Art und Weise der Behandlung unserer Verbündeten. Eine Möglichkeit zur Erhöhung gemeinsamer Bemühungen im Bereich der Verteidigung läge bei gemeinsamen Programmen, die unter Berücksichtigung von Prioritäten definitiv ausgearbeitet werden und in den politischen Hauptstädten Unterstützung erfahren würden sowie in gemeinsamen Schritten nach vorn; nicht in gegenseitiger Beschämung oder gegenseitigem Zwang“.
Der Senator des Staates Rhodes Island erklärte Ledogar, daß er im Anschluß an seine Bestätigung „darauf aufmerksam machen müsse“, daß viele Menschen in Amerika „genug“ von der Tatsache haben, daß zahlreiche europäische Länder, die sich in einer besseren wirtschaftlichen Lage befinden als die Vereinigten Staaten, trotzdem auf die Vereinigten Staaten vertrauen, wenn es darum geht, sich zu schützen.
Der Kandidat antwortete, „diese Botschaft dringt langsam zu unseren Verbündeten durch.“
Senator Daniel J. Evans bemerkte, daß die MBFR-Gespräche in Genf in ihr 15. Jahr gehen. Er fragte Ledogar, ob wir im Hinblick auf 1988 „einen höheren Gang einlegen, oder Verhandlungen abhalten werden, die wirklich zu etwas führen“?
Ledogar antwortete, „ich sehe keinen Grund für Optimismus im Forum der gegenwärtigen MBFR-Gespräche“. Er erklärte weiter, er stimme Kritiken zu, die behaupteten, es gäbe bei der Organisation der MBFR-Gespräche gewisse „Mängel“. Es besteht insofern ein geographisches Ungleichgewicht im Bereich des Abbaus – besonders in Mitteleuropa –, als daß amerikanische 6 000 Kilometer weiter nach Westen zurückweichen müßten, die sowjetischen Truppen hingegen nur einige hundert Kilometer. Ledogar verwies darauf, daß „es außergewöhnlich schwierig war, einen Vorschlag zu unterbreiten, der mit unseren Sicherheitsinteressen im Einklang stand und trotzdem verhandelbar war“.
Er erklärte, es bestünde Hoffnung daß die neuen Verhandlungen über konventionelle Waffen – die von einem viel größeren geographischen Gebiet, dem gesamten Kontinent Europa, ausgehen und Frankreich und Spanien als Teilnehmer haben – „ihre eigene Dynamik entwickeln werden, so daß es möglich sein wird, das Ungleichgewicht so zu behandeln, entweder auf Europa-übergreifender Basis oder je nach Region, und daß damit eine verhandelbarere Formel hervorgebracht wird, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Ledogar prognostizierte, daß bei einem Erfolg der Vorbereitungskonferenz im Frühjahr 1988 neue Verhandlungen im Bereich konventioneller Waffen aufgenommen würden. Ledogar erklärte dem Komitee ferner, das Verhältnis dieser neuen Verhandlungen zu den MBFR-Gesprächen gebe uns für die Zukunft Fragen auf.

Dieser Artikel erschien im Amerikadienst vom 23.09.1987 unter dem Titel "INF-Abkommen hat keinen Einfluss auf flexible Reaktion der NATO – Artikel über Anhörung im Senat". Für weitere Artikel dieser Ausgabe, wie: „Reagan: Amerika braucht tatkräftige und informierte Bürger“, oder „Aussichten für bessere Amerikanisch-Sowjetische Beziehungen ermutigend“, klicken Sie bitte hier.

1987: Ein Abrüstungsabkommen zwischen den USA und Russland